Sorge: Engpässe nicht nur bei Kinderarzneimitteln Patrick Hollstein, 14.09.2023 13:34 Uhr
Keine zwei Monate nach Inkrafttreten des Engpassgesetzes (ALBVVG) hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) weitere Maßnahmen zur Sicherung der Versorgung angekündigt. Für Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, ist dies das Eingeständnis, dass das Gesetz nicht gereicht hat.
Noch im Frühjahr habe Lauterbach wortreich Besserung versprochen, diese sei erwartbar nicht eingetreten. „Nun setzt der Minister hektisch auf das Prinzip Hoffnung und bittet Eltern, auf Hamsterkäufe zu verzichten. Sein Vergleich mit der Gaskrise hinkt dabei gewaltig.“
Fast ein Jahr lang habe die Ampel alle Forderungen nach einem Beschaffungsgipfel ignoriert. „Jetzt versucht sich Minister Lauterbach an einem eiligen ‚Spitzengespräch‘. Dass zum heutigen Krisentreffen mit nur einem Tag Vorlauf eingeladen wurde, ist sinnbildlich für die Sprunghaftigkeit der Koalition. Es wird wieder nur reagiert und nicht regiert.“
Keine Entspannung in Sicht
Die Probleme seien allesamt seit dem letzten Herbst bekannt. „Sie betreffen bei Weitem nicht nur den Bereich der Kinderarzneimittel. Auch zahlreiche andere Indikationen bei Erwachsenen sind betroffen.“ Nachdem Lauterbach gerade erst versucht hatte, in aktionistischer Weise die Großhändler in die Pflicht zu nehmen, steuere er mit einem Schlingerkurs nun auf einen Herbst zu, der abermals von Lieferproblemen geprägt sein werde.
Dabei lägen längst Lösungsvorschläge der CDU/CSU-Fraktion auf dem Tisch: „Das System der Rabattverträge muss überarbeitet werden, Ausfallrisiken durch Mehrfachvergaben an mehr als nur einen Hersteller reduziert werden. Wir brauchen mehr Produktionsstätten in der EU und in Deutschland, statt uns auf fragile Lieferketten aus Indien und Asien zu verlassen. Bei der Beschaffung muss Deutschland die Koordination mit unseren Nachbarländern verbessern, Frühwarnsysteme ausbauen.“
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte, dass Lauterbach die Länder ausgeklammert habe. „Lauterbach tut leider noch immer so, als ob die Länder mit ihren Warnungen Panik verbreiteten. Tatsache ist aber, dass inzwischen 512 Lieferengpassmeldungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorliegen. Dieser Trend verstärkt sich wieder, im Mai waren es noch 477 Lieferengpassmeldungen. Diesen Eindruck bestätigen auch die Apotheker im Gespräch.“
Vertrauen aufbauen
In einem Punkt habe Lauterbach recht: „Hamsterkäufe sind nicht sinnvoll und würden die Lage verschärfen.“ Er forderte: „Herr Lauterbach darf sich nicht auf den jetzt angekündigten Maßnahmen ausruhen. So sinnvoll sie sind, wirken sie aber nur kurzfristig – und müssen zeitnah umgesetzt werden. Wir brauchen mehr Pragmatismus und mehr Spielräume für die Apotheken, die Ärzteschaft und die Länder. Lauterbachs heutiger Dialog mit den Herstellern ist dafür ein erster Schritt – denn es geht ja auch vor allem darum, Vertrauen zwischen Politik und Industrie aufzubauen. Jetzt braucht es ein abgestimmtes Konzept, an dem Verbände, Hersteller und Länder gemeinsam mit dem Bund arbeiten sollten, um auch längerfristig die Versorgung zu sichern. Wenn weiterhin keine Initiative dazu von Herrn Lauterbach kommt, werden die Länder das Thema auf jeden Fall in der nächsten Gesundheitsministerkonferenz am 25. September auf die Tagesordnung bringen.“
Holetschek ging auch auf die Ankündigung ein, die Retaxationen bei der Herstellung von Kinderarzneimitteln für die Apotheken abzuschaffen. Er kritisierte: „Wir haben das schon lange gefordert, endlich hat Lauterbach gehandelt. Jetzt muss er aber zeitnah entsprechende Regelungen vorlegen. Appelle, keine Hamsterkäufe zu machen, reichen nicht aus.“