Es ist gerade einmal ein Jahr her, seitdem die ABDA-Führung rund um Friedemann Schmidt ihren Antrittsbesuch beim neuen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) absolviert hat. Seitdem ist viel passiert: Spahn hat den Deutschen Apothekertag und die ABDA-Mitgliederversammlung im Dezember gerockt. Jetzt liegt ein sogenanntes Apothekenstärkungsgesetz auf dem Tisch, im dem viele in der ABDA ein gefährliches Angebot sehen. Kammern und Verbände haben die ABDA darum zu einer Sonder-Mitgliederversammlung gezwungen. Das kann man getrost als Misstrauensvotum gegen ABDA-Präsident Friedmann Schmidt werten, kommentiert Lothar Klein.
In den vergangenen neun Monaten hat der ABDA-Präsident eine bemerkenswerte standespolitische Kehrtwende hingelegt. Nach der turnusmäßigen ABDA-Mitgliederversammlung im Sommer 2018 – vor gerade einmal zehn Monaten – beschwor Schmidt erneut die Position der ABDA zum Rx-Versandverbot. Zielsetzung sei die „Wiederherstellung der Gleichpreisigkeit“. Dafür sei das Rx-Versandverbot nach wie vor das einzige Mittel. Dazu gebe es keine erkennbare Alternative, sagte Schmidt. Davon kann heute keine Rede mehr sein.
Zwar sieht die ABDA immer noch im Rx-Versandverbot die beste Reaktion auf das EuGH-Urteil vom Oktober 2016. Aber mit dem Amtsantritt von Gesundheitsminister Spahn haben sich die politischen Realitäten aus Sicht der Apothekerorganisation dramatisch verschoben. Nun kann man niemanden vorwerfen, seine politischen Ziele auf Durchsetzbarkeit zu prüfen und an den herrschenden politischen Verhältnissen auszurichten. Dass Schmidt auf seinem politischen Rückzug vom Rx-Versandverbot allerdings mit Fehleinschätzungen den Apothekern einen Bärendienst erwiesen hat, steht auf einem anderen Blatt.
Rückblende: Beim Apothekertag in München befasste sich ABDA-Präsident Schmidt in seinem politischen Lagebericht intensiver mit den Streitereien mit den Krankenkasse als mit den Zukunftsperspektiven der Apothekerschaft. Erst zum Abschluss, nach dem Auftritt von Spahn, sprach Schmidt Klartext: „Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Wir kommen mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiter“, erklärte der ABDA-Präsident plötzlich in seinem Schlusswort: „Wir stehen vor einer gewaltigen Reform-Agenda. Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“ Mit der „klassischen ABDA-Haltung, es soll so bleiben wie es ist, nur besser, werden wir nicht weiterkommen“, so Schmidt: „Wir werden echte Veränderungen erleben, denen wir uns stellen müssen.“ Das Ausmaß des Reformstaus sei übergroß. Die im Aufbruch befindlichen Delegierten rieben sich verwundert die Augen.
Herausgekommen ist wenige Wochen später ein 375 Millionen Euro schweres Anti-Rx-Versandhandelsverbot-Paket unter intensiver Mitwirkung von Schmidt, das Spahn in der ABDA-Mitgliederversammlung im Dezember persönlich präsentierte – einschließlich eines Rx-Boni-Deckels von 2,50 Euro. Die Abkehr vom Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente sei für die Apotheker „extrem schwer zu schlucken“, stellte Schmidt am Tag darauf fest. Allerdings begrüßte er ausdrücklich das „Sicherheitsnetz“, das unter anderem durch Rx-Boni-Grenzen eingezogen werden sollte.
Schmidts Einschätzung vom Rx-Boni-Deckel als „Sicherheitsnetz“ teilten Kammern und Verbände allerdings nicht. In der nächsten ABDA-MV im Januar musste Schmidt diese Position wieder räumen. Dem acht Punkte enthaltenden Plan B von Spahn stellte die ABDA einen eigenen Sechs-Punkte-Plan entgegen: Kernforderung war ein Verbot von Rx-Boni auch für ausländische Versandapotheken. Mit seinen anschließend vorgelegten Eckpunkten zum Apothekenstärkungsgesetz reagierte Spahn auf die Forderungen der ABDA: Er strich wie gewünscht den Rx-Boni-Deckel und kürzte dafür das versprochene zusätzliche Honorar von 375 Millionen Euro auf 150 Millionen Euro zusammen – Zuckerbrot und Peitsche.
Bis auf die Kürzung des Honorars schien die ABDA-Führung dennoch zufrieden: Spahns Ministerium mache sich damit „auf die nächste Etappe, um den Weg einer soliden und zukunftsorientierten Reform der Arzneimittelversorgung zu beschreiten“, so Schmidts Reaktion auf den neuen Entwurf und weiter: „Wir Apotheker begrüßen diesen Schritt, da die eingeschlagene Richtung stimmt. Das Gesetz bietet die Chance, die Versorgung der Menschen im Lande wirklich zu verbessern.“ Von gravierenden rechtlichen Bedenken war bei Schmidt nicht die Rede.
Und DAV-Chef Fritz Becker geriet sogar ins Schwärmen: „Das ist für uns ein gutes Paket“, sagte er beim Parlamentarischen Abend des Landesapothekerverbandes Baden-Württemberg. Allerdings – es müsse „noch etwas in den Topf gelegt werden“, forderte der DAV-Vorsitzende. „Ein Traum geht in Erfüllung“, sagte Becker, „wir können auf den Eckpunkten aufbauen.“ Rechtliche Probleme sah auch Becker nicht.
Am 2. Mai müssen sich Schmidt und Becker nun den kritischen Kammern und Verbänden stellen. Bis zum 7. Mai hat Spahn den Verbänden die Frist zur Abgabe ihrer Stellungnahmen zum Referentenentwurf gesetzt. Dann folgt eine Anhörung im BMG. Gegenstand der Diskussion der ABDA-Sonder-MV wird daher die Analyse des Apothekenstärkungsgesetzes durch Dr. Elmar Mand sein.
Das Problem des aktuellen Gesetzesentwurfes ist Mand zufolge nämlich die Streichung des § 78 Absatz 1 Satz 4 im Arzneimittelgesetz (AMG). „Dadurch bleibt zwar das Rx-Boni-Verbot für die inländischen Apotheken erhalten. Die Preisbindung der ausländischen Versender wird dagegen ausdrücklich aufgehoben. Das hat aus meiner Sicht zur Folge, dass ausländische Apotheken künftig nicht mehr an die Preisregulierung des AMG gebunden sein werden.“ Hintergrund: In § 78 Abs. 1 S. 4 heißt es, „die Arzneimittelpreisverordnung, die auf Grund von Satz 1 erlassen worden ist, gilt auch für Arzneimittel, die gemäß § 73 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.“
Der geplante allgemeine Verweis auf das AMG im SGB V reicht Mand zufolge nicht aus. Denn durch die Streichung des § 78 Abs. 1 S. 4 AMG werde ausdrücklich festgestellt, dass ausländische Apotheken nicht an das Preisrecht gebunden sind. „Nach meiner Lesart bedeutet das, dass ausländische Apotheken auch im GKV-Bereich nicht an das Preisrecht gebunden sein werden. Das heißt, sie können an der Regelversorgung teilnehmen, dem Rahmenvertrag beitreten, ohne das Preisrecht beachten zu müssen.“
Die Diskrepanz der Einschätzungen ist inhaltlich nicht zu überbrücken. Daher wollen dieses Mal Kammern und Verbände bei der Positionierung der ABDA-Führung mitreden – ABDA-Präsident Schmidt alleine überlassen wollen sie das jetzt nicht mehr.
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