Schulen und Kitas werden wegen der Corona-Krise in dieser Woche flächendeckend geschlossen. Wenn die Beschäftigten in Apotheken zu den systemrelevanten Berufen gezählt werden, steht ihnen eine Notfallbetreuung zu. Doch was ist mit ihren Dienstleistern? Noventi appelliert in einem internen Schreiben an die Mitarbeiter, sich der Bedeutung ihrer Tätigkeit bewusst zu sein: Keine Rezeptabrechnung – kein Geld für die Apotheken. Noventi wendet sich deshalb auch an die Bundesregierung: Notfalls müsse der Bund einspringen.
Noventi-Chef Dr. Hermann Sommer rechnet in dem Schreiben an die Mitarbeiter vor, warum das Unternehmen aus seiner Sicht „integraler Bestandteil des deutschen Gesundheitssystems“ ist: „So sind zum Beispiel über 53 Prozent der deutschen Apotheken, die in dieser Krise der erste Anlaufpunkt für die Bevölkerung sind, unsere Kunden, die auf unsere Leistungen angewiesen sind. Damit ist also auch die Mehrheit der deutschen Bevölkerung auf unsere Leistungen angewiesen. Wir tragen damit alle gemeinsam eine hohe Verantwortung, die uns stets bewusst sein muss.“
Die Rezeptabrechnung läuft zwar zu großen Teilen automatisiert ab, riesige Hochleistungsscanner lesen die Verordnungen in Sekundenbruchteilen aus. Doch dabei muss oft händisch korrigiert werden, und in der gesamten Logistik gibt es weitere Tätigkeiten, die von Menschenhand erledigt werden müssen. Das Geschäft ist ein überraschend personalintensives.
Beispiel Noventi mit knapp 2500 Mitarbeitern. An neun Standorten bundesweit werden bei den zur Gruppe gehörenden Rechenzentren VSA und ALG Rezepte bearbeitet. Allein am größten Standort im bayerischen Viechtach sind 400 Mitarbeiter beschäftigt, 90 Prozent davon Frauen.
Die logische Kette: Sollte aufgrund der Schul- und Kitaschließungen ein nennenswerter Teil der Beschäftigten ausfallen, verzögert sich die Rezeptabrechnung, in dieser Folge die Zahlung der Krankenkassen und die Ausschüttung an die Apotheken. Denn vorfinanzieren kann selbst ein großes Haus wie Noventi das nicht: Das Abrechnungsvolumen liegt bei monatlich rund 1,6 Milliarden Euro. Und letztlich stehen alle Rechenzentren vor demselben Problem.
Deshalb führt die Noventi-Spitze aktuell mit der Politik Gespräche mit zwei Zielen: Ein Recht auf Notfallbetreuung für die Kinder der eigenen Mitarbeiter soll durchgesetzt werden. Und zweitens müsse es für den Fall eines kompletten Ausfalls der Produktion in Folge eines Shutdowns Finanzhilfen zur Überbrückung geben. Denn davon hänge letztlich die Versorgung der Menschen durch die Apotheken ab. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) müsse sich auch um diese relevanten Wirtschaftszweige kümmern, so die Forderung.
Noventi-Chef Sommer appelliert aber auch an die eigenen Mitarbeiter, gerade während der Krise ihren persönlichen Beitrag zu leisten, um die Versorgung der Mitbürger sicherzustellen. „Wir wissen um die schwierige Situation, in der sich aufgrund der Schul- und Kita-Schließungen all unsere Kolleginnen und Kollegen mit Kindern befinden. Lassen Sie uns aber bitte gemeinsam besonnen bleiben und rational handeln, insbesondere um unsere älteren und besonders gefährdeten Mitbürgerinnen und Mitbürger zu schützen.
Sommer gibt den Fahrplan vor, „um den Betriebsablauf bei Noventi – und damit das Gesundheitssystem Deutschlands bestmöglich aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Ihren familiären Aufgaben gerecht zu werden“. So könnten etwa Freunde, Nachbarn und auch ältere Kinder mit in die Betreuung kleinerer eingebunden werden. „Wir sind Ihnen für jede Arbeitsstunde, die Sie in dieser Phase für Ihre Arbeit aufbringen können, sehr dankbar“, schreibt Sommer.
Der Noventi-Chef ruft ausdrücklich auch alle Väter dazu auf, Verantwortung zu zeigen und sich aktiv daran zu beteiligen. „Denn selbstverständlich ist die Kinderbetreuung nicht nur Muttersache.“ Großeltern sollten dagegen gemäß der Empfehlung des Robert Koch Instituts (RKI) möglichst nicht eingebunden werden, da sie ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf im Falle einer Erkrankung haben.
Homeoffice ist in Abstimmung mit dem Vorgesetzten bei Noventi möglich – sofern die jeweilige Tätigkeit das zulässt. Außerdem sollen die Mitarbeiter die Möglichkeiten prüfen, ob eine Notbetreuung des eigenen Nachwuchses für sie infrage kommt. Aus Sicht des Unternehmens ist die Frage der Systemrelevanz jedenfalls geklärt.
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