Am Rande der Koalitionsverhandlungen meldet sich der Arbeitskreis um Holger Seyfarth mit Vorschlägen für ein Sofortprogramm zu Wort: Das Fixum müsse um 1,20 Euro erhöht werden, so die Forderung.
Schon im Zusammenhang mit der geplanten Apothekenreform hatte sich die Gruppe um den hessischen Verbandschef mit einem Papier gemeldet, diesmal geht es um das geforderte Sofortprogramm zur Stärkung der Apotheken. Seitdem habe sich die betriebswirtschaftliche Situation vieler Betriebe weiter verschärft: „Als Resultat setzt sich das Apothekensterben ungebremst fort.“
So seien die Apotheken nicht nur mit dem Skonto-Verbot konfrontiert, sondern auch mit enorm gestiegenen Kosten auf allen Ebenen. Trotz aller Bemühungen habe es keine Erhöhung des Honorars gegeben. „Ceteris paribus sinkt die Anzahl der Apotheken mit zunehmender Dynamik. Das gefährdet nicht nur die Resilienz unserer Arzneimittelversorgung in potenziellen Ausnahmesituationen (wie Pandemien und sonstige Katastrophenfälle), sondern auch in der alltäglichen Versorgungspraxis. Im Zusammenspiel mit der Überlastung anderer ambulanter Versorgungspartner entwickeln sich vielerorts Engpässe, Dezimierungen und Lücken aller Art zu manifesten Unterversorgungen.“
Um die wohnortnahe Versorgung sicherzustellen, sei eine finanzielle Stärkung von Apotheken „zwingend geboten und duldet keinerlei Aufschub“, heißt es. „Entsprechende Maßnahmen sind unverzüglich zu ergreifen und sollten ab Juni 2025 Wirkung entfalten. Erst danach können Reformvorhaben, die das Aufgabenspektrum erweitern, angegangen und umgesetzt werden.“
Konkret gefordert wird die Anhebung des Fixums um 1,20 Euro netto beziehungsweise 1,43 Euro brutto. Dies würde zwar für die Kassen zu Mehrausgaben in Höhe von 959 Millionen Euro führen, von denen die GKV den Löwenanteil von 948 Millionen Euro zu schultern hätte. Die Apotheke könnte dadurch 56.400 Euro gewinnen.
Zumindest im ersten Jahr könnte man aber hier einen Teilbetrag von 300 Millionen Euro dadurch gewinnen, dass man die Rücklagen für pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) freigibt, in dem derzeit rund 400 Millionen Euro auf Abruf warten.
Die restlichen 100 Millionen Euro sollen zur Erstausstattung eines neuen Sicherstellungsfonds dienen, der gezielt zur Vermeidung oder Überwindung von Unterversorgungen eingerichtet werden soll.
Aufwandsneutral für die Kassen soll die Gewährung von Skonti wieder erlaubt werden. Bei 50 Cent je Packung ergäbe sich ein Betrag von 23.500 Euro je Apotheke. Auch eine Apothekenpflicht für Cannabis zu Genusszwecken könnten den Kassen Geld bringen, ohne die GKV zu belasten. Viel Geld, wie die Autorinnen und Autoren vorrechnen: Bei einem Marktvolumen von 665 bis 4,5 Milliarden Euro könnten sich je Apotheke Mehreinnahmen von 40.000 bis 270.000 Euro ergeben. Je nach Umfang entspräche dies einer Anhebung des Apothekenhonorars um 0,85 Euro netto. „Mit der Zeit wird die finanzielle Abhängigkeit vom GKV-System erheblich reduziert.“
Bereits umgesetzt sei die Rückführung des Kassenabschlags von 2 auf 1,77 Euro. Dies koste die Kassen 152,5 Millionen Euro und bringe den Apotheken 126 Millionen Euro, entsprechend 7410 Euro je Apotheke.
In Summe brächten die Maßnahmen den Apotheken 1,48 Milliarden Euro, inklusive Cannabis sogar 2,15 bis 6 Milliarden Euro. Dies entspräche einem Betrag je Apotheke in Höhe von 87.310 Euro beziehungsweise zwischen 127.000 bis 357.000 Euro. Das GKV-System werden im ersten Jahr mit 800 Millionen Euro und danach mit 1,1 Milliarden Euro belastet.
Die Mehrausgaben wären gerechtfertigt, finden die Autorinnen und Autoren, da der „Sicherstellung eines wohnortnahen und bedarfsgerechten Zugangs der Bevölkerung zur Versorgung parteiübergreifend höchste gesundheitspolitische Priorität eingeräumt wird“.
„Die Betrachtung der jeweils für sich quantifizierten Maßnahmen unseres Sofortprogramms brachte zu Tage, dass diese geeignet sind, um kurzfristig eine betriebswirtschaftliche Stabilisierung von Apothekenbetrieben herbeizuführen. Sie versetzen Apotheken außerdem in die Lage, Reformvorhaben unbelastet mitzugestalten, Aufgaben andere Professionen zu übernehmen und als Resultat mit deren Umsetzung zu reüssieren.“
Perspektivisch als weitere Maßnahmen genannt werden Entbürokratisierung, komplette Streichung des Kassenabschlags und Reduktion der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel.
Autorinnen und Autoren sind neben Seyfarth sowie der früheren Berliner Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz außerdem die Hochschullehrer Professor Dr. Reinhard Herzog und Professor Dr. David Matusiewicz, die Apotheker Ulrich Ströh und Björn Kersting sowie die Berater Dominik und Daniela Klahn.