„Rx-Versandverbot nicht abkaufen lassen“

Siemsen poltert gegen Minister: Spahn liebt Spahn

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Berlin -

Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen hat die Apotheker aufgefordert, selbstbewusst in die entscheidenen Gespräche mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) über die Umsetzung des im Koalitionsvertrag versprochenen Rx-Versandhandelsverbots zu gehen. Scharfe Kritik übte Siemsen an Spahns Vorgehen: „Spahn liebt Spahn“, sagte er auf der Kammerversammlung laut Redemanuskript. Außerdem fordert er eine Reform der ABDA.

Hamburgs Kammerpräsident kritisierte zum Auftakt seines politischen Lageberichts Spahns Auftritt auf dem Deutschen Apothekertag (DAT): Spahn habe den DAT „als seine Bühne“ zelebriert, anstatt wie angekündigt konkrete Vorschläge zu präsentieren. Siemsen: „Je mehr er Widerstand oder Ablehnung spürt, desto selbstgefälliger präsentiert er sich, ohne inhaltlich Tiefgründiges beizutragen. Spahn liebt Spahn!“ Allerdings habe der Gesundheitsminister deutlich durchblicken lassen, dass es ein Rx-Versandverbot mit ihm wohl nicht geben werde.

„Zur Dämpfung unserer Wünsche“ habe Spahn noch kurz das 2hm-Gutachten aus der Schublade aufblitzen lassen und noch einen vergifteten Vorschlag für die Apothekerschaft unterbreitet, „in dem er uns das Impfen anbietet“. „Als ob dieses Leckerli auch nur annähernd unsere Honorarunterversorgung beheben könnte. Dafür wusste er aber um die reflexartige Reaktion der Ärzteschaft, die uns erstmal wieder beschäftigen sollte. Sowas nenne ich unanständig und respektlos“, so Siemsen.

Um seine Karriere voranzutreiben, egal ob im aktuellen Wahlkampf um den Parteivorsitz oder eine mögliche spätere Kanzlerkandidatur, müsse Spahn jetzt im Gesundheitsministerium Erfolge, sprich Gesetze, präsentieren. Diese Erfolge müssten „hipp sein, der Masse gefallen“. Sie müssten modern und groß sein. Da komme es auf Nachhaltigkeit nicht so an, sagte Siemsen. Die Zukunft sei ungewiss. Gewiss sei nur, dass Spahn denn Apothekenmarkt genauestens kenne und nicht aus Unwissenheit entscheide. „Nur, ob uns seine Entscheidungen gefallen werden, ist mit Sicherheit nicht sicher“, so Siemsen.

Siemsen forderte die ABDA auf, Spahn selbstbewusst zu begegnen: Das Angebot an die Politik sollte „groß“ sein. „Wir sind eine wichtige Profession für die Gesellschaft. Wir gehören zu den Expertenberufen. Wir brauchen uns nicht klein zu machen. Wir müssen selbstbewusst in die Gespräche mit Spahn gehen und unser Gesamtpaket präsentieren“, sagte Siemsen. Dazu gehöre vor allem die „grenzenlose Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel“. Siemsen: „Wir dürfen uns diese strukturelle Forderung nicht abkaufen lassen. Es nützt nichts, ein wunderschönes Haus auf einem bröckeligen Fundament zu bauen.“ Aber neben der Struktur müssten im Maßnahmenbündel auch das Apothekenhonorar, „unsere Zukunftsvisionen 2030 und unsere auskömmlich zu honorierenden Dienstleistungen, wie AMTS, Medikationsanalyse und Medikationsmanagement enthalten sein“.

Der Kammerpräsident forderte die Apotheker zudem auf, die Zukunft aktiv annehmen und die Digitalisierung nicht als Feind begreifen. Die Digitalisierung biete Chancen, „die wir jetzt ergreifen müssen“. Es stehe dem Expertenberuf Apotheker gut zu Gesicht, die digitale Zukunft mitzugestalten. Siemsen: „Dafür müssen wir mutig voran gehen, die Chancen ergreifen und die Gefahren bannen. Seien wir mutig! Wenn wir dabei auch immer die Patientensicht im Blick haben, ist mir nicht bange um unseren Berufstand.“

Auch die ABDA müsse sich neu aufstellen, forderte Siemsen. Ein „Future-Department mit einem ThinkTank“ müsse sich dauerhaft mit der sich immer schneller verändernden Gesundheitswelt proaktiv beschäftigen und immer wieder patientennahe Lösungen für die Apothekerschaft vordenken. „Hier müssen alt gediente Denkpfade verlassen werden und auch Querdenker mit einbezogen werden“, so Siemsen.

Siemsen forderte, die Organisationsstruktur der ABDA zu hinterfragen und den zukünftigen Anforderungen anzupassen. Dabei seien auch ein stagnierendes oder rückläufiges Beitragsaufkommen aus den Mitgliedsorganisationen zu bedenken. „Die Beiträge in den Ländern können nicht ins Unermessliche gesteigert werden, um der Bundesvereinigung zum Wachstum zu verhelfen“, so der Kammerpräsident.

„Unsere heutigen Strukturen haben in den letzten zwei Dekaden dazu geführt, dass unser Anteil an den GKV-Gesamtausgaben von 2,6 Prozent auf 2,2 Prozent gesunken ist. Das entspricht einem Rückgang von über 15 Prozent“, so Siemsen weiter. Mit dieser Ausgangssituation werde das pharmazeutische Arbeiten wirklich schwer: „Hier müssen wir lauter und eindringlicher unsere Forderungen in der Öffentlichkeit platzieren. Auch in den Gesprächen mit Spahn darf dieser Punkt nicht fehlen.“

Zur Vorbereitung auf die entscheidende Mitgliederversammlung der ABDA befassen sich in dieser Woche neun Kammerversammlungen mit der aktuellen politischen Lage. Heute tagt die Mitgliederversammlung der Bayerischen Apothekerkammer. Dort wird sich auch ABDA-Präsident Friedemann Schmidt äußern. Am Mittwoch treffen sich die Delegierten von weiteren acht Landesapothekerkammern. Beim Spitzentreffen der Bundesapothekerkammer (BAK) in der vergangenen Woche zeichnete sich eine kompromisslose Linie ab: Die Kammern wollen auf die Erfüllung der Forderung nach Gleichpreisigkeit pochen. Diese sei ohne ein Rx-Versandhandelsverbot aber nicht erreichbar, heißt es dort. Damit könnte es für Schmidt schwer werden, auf der ABDA-Mitgliederversammlung am 5. Dezember eine breite Mehrheit für einen Plan B hinter sich zu bringen.

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