Siemsen: Nachwuchschaos durch Light-Filialen Patrick Hollstein, 08.11.2023 10:37 Uhr
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) angedachten Filialapotheken mit erleichtertem Pflichtenkatalog werden laut Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen die bestehenden Probleme nicht lösen, sondern verschärfen. Dies gilt für die Erreichbarkeit genauso wie für die Versorgungsqualität.
„Nach derzeitiger Planung“ seien die Reformideen Lauterbachs nicht geeignet, die Probleme im Apothekenmarkt zu beheben, so Siemsen. Sie ermöglichen weder, Lieferengpässe durch Herstellung von Rezepturarzneimittel zu beheben oder Botendienste zu leisten, noch eine Nacht- und Notdienstfunktionen wahrzunehmen, um die Bevölkerung auch nachts und am Wochenende mit Arzneimitteln zu versorgen.
„In der Realität bedeuten die Pläne des Ministers für die Patienten lange Fahrtwege zu Vollfunktions-Apotheken, um beispielsweise im Falle von Lieferengpässen wie im letzten Jahr bei Kinder-Fiebersäften, doch noch eine Apotheke zu finden, die eine Rezeptur herstellen kann oder genug Personal hat, um den zeitintensiven Ersatzbeschaffungsprozess für die Patienten zu leisten“, so Siemsen.
Keine Ausbildung in Light-Filialen
Durch die von Lauterbach geplante Umgestaltung der Filialapothekenstruktur werde stattdessen die Zahl der Ausbildungsstätten für den pharmazeutischen Nachwuchs weiter reduziert. Denn in Betriebsstätten mit geringeren Anforderungen und Ausstattung könne nicht ausgebildet werden. Weniger Ausbildungsstätten verschärfen aber den Mangel an Nachwuchs. „Eine Entprofessionalisierung der Filialapotheke bei gleichzeitig zunehmendem, von der Politik übertragenem Leistungskatalog ist nicht die Lösung des Problems, sondern streut weiter Salz in die Wunde und zwingt das System, sich selbst zu Lasten der Qualität der Patientenversorgung zu kannibalisieren“, so Siemsen.
Bereits im Sommer habe die Apothekerschaft auf die Probleme der Vor-Ort-Apotheken im Rahmen eines Aktionstages aufmerksam gemacht. Die Politik habe dies bisher weitestgehend ignoriert. „Damit muss Schluss sein! Die Politik muss jetzt handeln, um die vorhandenen Apotheken zu stärken und wirtschaftlich zu stabilisieren. Nur so kann die lückenlose Funktionsfähigkeit des bestehenden Netzes an Apotheken aufrechterhalten werden“, so Siemsen.
Wirtschaftliche Überforderung
Derzeit sei die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im ganzen Bundesgebiet ausreichend gewährleistet, aber die zunehmende Anzahl an Schließungen von Apotheken und der Personalmangel gefährdeten den künftigen Bestand der flächendeckenden Versorgung. „Am schnellsten sichtbar für die Patientinnen und Patienten werden die Folgen der jahrzehntelangen Sparpolitik auf dem Rücken der Apotheken auf dem Land. Aber auch in den Großstädten haben wir erstmals seit Jahren einen Höchststand an Schließungen im aktuellen Jahr zu verzeichnen“, so Siemsen weiter.
Dabei schließen laut Siemsen viele Kollegen aufgrund von Alter, aber zunehmend auch aufgrund wirtschaftlicher Überforderung ihre Apotheken. „Nachfolger zu finden, wird angesichts der unattraktiven Rahmenbedingungen durch schlechte Vergütung, Fachkräftemangel, Zunahme von Aufgaben und hoher Bürokratielast immer schwerer. Doch statt auf die Probleme einzugehen und Lösungen mit der Apothekerschaft zu suchen, wartet die Politik mit Konzepten auf, die die Funktionalität der Apotheke als wichtiger regionaler Gesundheitsversorger weiter schwächen und die Nachwuchsprobleme verschärfen“, so Siemsen.