Nach Nordrhein will auch die Hamburger Apothekerkammer auf der ABDA-Mitgliederversammlung aus Protest gegen die Arbeit der Berliner Zentrale den Haushalt ablehnen. Das kündigte Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen bei der Kammerversammlung an. Seinen politischen Lagebericht nutzte Siemsen zu einer Abrechnung mit der ABDA, die er mit einer trägen, aber gefräßigen Python verglich.
Vor knapp zwei Jahren wollte Hamburgs Kammerpräsident Siemsen gegen Friedemann Schmidt bei der Wiederwahl zum ABDA-Präsidenten kandidieren. Schon damals war ihm die Lobbyarbeit der ABDA zu still und nicht energisch genug. Nach dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 zog Siemsen seinen Kandidatur zurück, um die Geschlossenheit der Apothekerschaft im politischen Kampf für das Rx-Versandverbot nicht zu gefährden. Jetzt meldet er sich wieder als vehementer Kritiker der ABDA in Berlin zurück.
Schlangen wie Boa constrictor oder Python lägen „die meiste Zeit stumm und regungslos rum; alle paar Wochen verschlingen sie riesige Mengen Nahrung, in dem sie zuvor dem Opfer die Luft und den Kreislauf abschnüren. Dann liegen sie wieder völlig ruhig rum, bis sie sich vielleicht jährlich vermehren. Warum kam mir hier die ABDA in den Sinn“, so Siemsen: „Wir hören nix, es ist völlig ruhig, keine Regung ist zu erkennen. Sie verschlingt jährlich 361.000 Euro – das sind ein Drittel unseres gesamten Haushalts – um sich dann um drei bis fünf Mitarbeiter zu vermehren.“
Die aktuellen Themen der Gesundheitspolitik oder die gesellschaftlichen Herausforderungen an die Gesundheitsberufe würden von der ABDA nicht reflektiert oder mit eigenen Konzepten belegt. Siemsen: „Jedenfalls nicht öffentlich, aber auch nicht im Gesamtvorstand. Ich kann nur hoffen, dass es solche Pläne gibt.“ Nach Medienberichten wolle Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bis zum Apothekertag ein allumfassendes Konzept vorlegen. Siemsen: „Also Herr Spahn kündigt an, sich endlich um seine Aufgaben kümmern zu wollen. Die ABDA möchte diesen Arbeitseifer nicht durch öffentliche Forderungen und Kommentierungen stören.“
Das „Präsidialsystem“ der ABDA sei leider nicht bereit, effektive Selbstreflektion zu betreiben. Die Vergangenheit bestätige nicht, dass Schweigegelübde wirklich zielführend seien. Hinterzimmerdiplomatie möge in bestimmten Fällen sinnvoll und angemessen sein. Aber am Ende des Tages müsse sie Erfolge liefern. Siemsen: „Die fehlen, bis auf kleine Schmankerl, seit Jahren.“
Eine betriebswirtschaftliche Schere durchziehe stattdessen die Apothekenlandschaft, so Siemsen. Ein Großteil der Apotheken sei kaum noch überlebensfähig: „Warum unsere Bundesorganisation trotzdem immer wieder mit Durchschnittszahlen und Gesamtumsätzen argumentiert, ist mir schleierhaft.“ Seit geraumer Zeit nähmen Apotheker nicht mehr an der wirtschaftlichen Entwicklung im Gesundheitswesen teil. Seit Jahren bedienten sich hingegen die Ärzte „am Kuchen mit einem immer größer werdenden Stück zulasten der Apotheken“.
Dann befasste sich Siemsen in seinem politischen Lagebericht mit der Rx-Versandverbotspetition von Apotheker Christian Redmann. Das Schweigen der ABDA sei nur „das eine und andere Mal unterbrochen“ worden. Das Präsidium habe sich „bemüßigt“ gesehen, öffentlich klarzustellen, dass „Petitionen kein Mittel der Lobbyarbeit“ seien. Aber was war der Grund für das Brechen des Schweigegelübdes? „Böse Zungen behaupten, dass man keine Helden neben sich dulden wolle.“ Aus seiner Sicht sei die ABDA-Klarstellung sogar förderlich für die Petition. Petitionen seien ein politisches Ausdrucksmittel für den Bürger. Durch Verbände und Institutionen initiierte Petitionen würden im Petitionsausschuss nicht weiter behandelt. Bei 150.000 Beschäftigten in öffentlichen Apotheken, deren Familien und Angehörigen, sowie Kunden sollte die Zahl von 50.000 Unterschriften leicht zu schaffen sein, rief Siemsen zur Zeichnung auf.
Von Jahr zu Jahr fordere die ABDA von Kammern und Verbänden höherer Beiträge vor allem für zusätzliches Personal, kritisierte Siemsen. Jede neue Stelle werde ausführlich begründet. Auch werde ausgiebig beschrieben, was alles nicht mehr möglich sei, wenn diese Stellen nicht besetzt werde. „Wahre Weltuntergangsszenarien werden dort gezeichnet“, so Siemsen.
Aber Kammern und Verbände sollen nicht mit den Fingern auf die Mitarbeiter und die Geschäftsführung der ABDA zeigen. Siemsen: „Schließlich sind es die Mitgliedsorganisationen, die in der Vergangenheit bis auf wenige Gegenstimmen die Haushalte genehmigt haben.“ Aber der Widerstand in den Ländern wachse nun. Siemsen: „Viele Kammern sind nicht mehr willens, diesen Selbstbedienungsladen so zu finanzieren.“ Schließlich werden rund Zweidrittel des ABDA-Haushalts von den Kammern getragen.
Die Mitgliederversammlung der ABDA werde daher wahrscheinlich noch einmal spannend. Siemsen: „Der Hamburger Kammervorstand hat seine Haltung zum Haushaltsentwurf 2019 anlässlich seiner letzten Sitzung nochmals bekräftigt, das heißt die Kammer Hamburg wird den jetzigen Entwurf am Donnerstag ablehnen. Der Vorstand ist der festen Überzeugung, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht ausgeglichen ist. Zu viele Mitarbeiter, zu hohe Kosten, zu wenig zählbarer Output! In den Zeiten, in denen die Mehrheit der Apotheken den Gürtel immer enger schnallen muss, ist es nicht mehr zu vermitteln, so viel Geld für suboptimale Ergebnisse zu zahlen.“
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