Shop-Apotheke erwägt, trotz des Rx-Boni-Verbots im Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) weiterhin Boni auf Rezepte zu zahlen. „Es sind noch viele Fragen offen, deshalb haben wir noch keine Entscheidung gefällt, wie wir mit dem Verbot umgehen werden“, erklärte CEO Stefan Feltens am Donnerstagmorgen. Man gehe davon aus, dass das VOASG europarechtswidrig sei. Die Entscheidung hänge deshalb auch von den Reaktionen der EU-Kommission und der Krankenkassen ab, so Feltens.
Das Verbot von Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel wäre zumindest für das kommende Jahr ein Schlag für das Rx-Geschäft der Shop-Apotheke, räumte Feltens ein: „Wir gehen davon aus, dass wir dann im Segment verschreibungspflichtige Arzneimittel erst einmal nicht mehr wachsen würden“, so Feltens am Donnerstag bei der Vorstellung der Quartalszahlen. „Das würde sich aber spätestens mit der verpflichtenden Einführung des E-Rezepts Anfang 2022 wieder ändern.“
In seiner Haltung zum VOASG zeigte sich Feltens hingegen eindeutig: „Wir sind überzeugt, dass das Gesetz europarechtswidrig ist“, sagte er und verwies auf das Rx-Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom Oktober 2016. „Daran hat sich faktisch nichts geändert.“ Er gehe davon aus, dass das VOASG nach Bestätigung durch den Bundesrat noch im Dezember in Kraft tritt. Allerdings sei „ganz entscheidend“, wie sich EU-Kommission und der gesetzlichen Krankenversicherungen dazu positionieren, beide hätten bereits in der Vergangenheit signalisiert, ebenfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Gesetzes zu haben.
Bis dato sei deshalb noch keine Entscheidung gefallen. „Entweder wir zahlen weiter Boni, weil wir der Überzeugung sind, dass das Gesetz europarechtswidrig ist“, so Feltens, „oder aber wir unterlassen Boni.“ Diese zwei Optionen stünden im Raum. Dabei verwies er auf die Stellungnahme des europäischen Versandapothekenverbandes EAMSP zum VOASG von Ende Oktober. Hier stehe auch das Thema Staatshaftung im Raum, so Feltens. Auch der EAMSP geht davon aus, dass das VOASG „eindeutig europarechtswidrig“ sei und zu einer „Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland“ führe, so EAMSP-Präsident und DocMorris-CEO Olaf Heinrich. Das Gesetz gehe darüber hinaus zulasten der Patienten, da ihnen einerseits der Bonus auf ihre Rezepte gestrichen wird, andererseits aufgrund des geringeren Wettbewerbs die Preise für apothekenpflichtige Medikamente steigen könnten.
Weniger Kopfzerbrechen bereitet Feltens die andere für Versender relevante Neuerung des VOASG: die Temperaturkontrollen. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir diesen Anforderungen heute und auch in Zukunft voll und ganz gerecht werden“, so der ehemalige Teva-Manager. „Wir gehen davon aus, dass das keinen oder nur einen marginalen Einfluss auf unser operatives Geschäft haben wird.“ Bereits kurz zuvor hatte sich Shop-Apotheke auf Nachfrage zu den Temperaturkontrollen selbstbewusst gezeigt: „Aus unserer Sicht dient die vorgeschlagene Änderung zum VOASG der Klarstellung dessen, was bereits gilt: Alle Apotheken – und somit auch die europäischen Versandapotheken – sind der Sicherstellung der Qualität und Wirksamkeit von Arzneimitteln beim Transport verpflichtet“, so ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. „Wir kommen selbstverständlich allen gesetzlichen Verpflichtungen nach.“
Abgesehen von neuen Regulierungen sieht sich Shop-Apotheke aber operativ besser denn je in der Spur. Die Coronakrise habe einen Umsatzpush beschert, der nachhaltig sein werde. „Wir gehen nicht davon aus, dass wir irgendwann auf ein Vor-Corona-Niveau zurückgehen werden“, so Feltens. Shop-Apotheke habe im dritten Quartal ein Umsatzwachstum von 40 Prozent erreicht und erst jüngst die Marke von 6 Millionen aktiven Kunden überschritten. „Wir sind mit großem Abstand die populärste Apotheken-Website in Deutschland.“ Bei einer Apotheken-Website solle es aber nicht bleiben, das Unternehmen arbeite aktiv daran, sich zu einem „ePharmacy-Portal“ weiterzuentwickeln. Dazu gehört neben dem angekündigten Marktplatz, der ein zum Versender kompatibles Portfolio bieten soll, auch die Same-Day-Delivery. „Bildlich gesprochen sind wir jetzt schon in der Lage, das zwischen Bonn und Dortmund abzubilden“, so Feltens. Es sollen Berlin, München und Köln folgen, langfristig dann alle Metropolregionen in Deutschland. Außerdem werde das Portfolio der Eigenmarke Red Care kontinuierlich weiter ausgebaut. „Da kommen in jedem Quartal weitere Produkte hinzu.“
Shop-Apotheke hatte am Donnerstagmorgen seine Prognose erneut angehoben: Der seit Kurzem im MDAX notierte Versender erwartet demnach für 2020 ein Umsatzwachstum von mindestens 35 Prozent, zuvor waren es 30 gewesen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) war mit 4,2 Millionen positiv, nachdem im Vorjahreszeitraum unterm Strich noch ein operativer Verlust von 2,1 Millionen Euro stand. Die entsprechende Marge verbesserte sich von minus 1,2 Prozent auf plus 1,8 Prozent. Öaut neuer Prognose soll es rund 2 Prozent erreichen, bisher waren zwischen 1 und 2 Prozent angepeilt worden.
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