Dass im Koalitionsvertrag ein Versandverbot für verschreibungspflichtige Medikamente festgeschrieben wurde, kommt bei vielen Kommentatoren großer Medien nicht gut an. Eine Presseschau.
„Ist digital doch egal?“, fragt die Bild-Zeitung. Die GroKo habe sich das Thema Digitalisierung groß auf die Fahnen geschrieben, wolle aber verbieten, dass sich Menschen Medikamente bequem im Internet bestellen können. „Mit ihrem Verbot wollen Union und SPD die Apotheken vor Ort stärken. Auch das ist realitätsfern und rückwärtsgewandt“, heißt es im Beitrag. Der Markt sei schließlich schon fest in der Hand der Vor-Ort Apotheker. Wenn die Regierung es mit der Digitalisierungs-Offensive wirklich ernst meine, „darf sie bei Apotheken keine Ausnahme machen“.
Für die Frankfurter Rundschau ist das Versandverbot ein Vorhaben, dass im 21. Jahrhundert nichts zu suchen hat. „Man stelle sich vor, Union und SPD hätten vereinbart, Amazon und anderen Internetanbietern den Versand von Büchern zu verbieten, um den klassischen Buchhandel zur retten.“ Die CDU habe nicht ohne Grund die Formulierung, man wolle sich „einsetzen“, gewählt. Das Verbot könnte laut Skeptikern gegen Grundgesetz und Europarecht verstoßen. „Die Chancen sind jedenfalls groß, dass sich die Regierung am Ende bei Gerichten eine blutige Nase holt“, prophezeit das Blatt.
„Ein Versandhandelsverbot rettet die Apotheken nicht“, schreibt das Portal T3N. Seit Jahrzehnten konsolidiere sich der Apothekenmarkt, die Anzahl der Apotheken nehme Jahr für Jahr ab. „Der Niedergang der Apotheke ist also nicht an den Erfolg des Versandhandels gekoppelt, der hat schon weit vorher begonnen.“ Der Leidtragende sei der Kunde, der gezwungen werde, in der örtlichen Apotheke einzukaufen. „Eigentlich passen sie wunderbar zusammen, unsere rückständige Regierung mit ihrem Heimatministerium und der Apothekerverband, der vor lauter Rückständigkeit in der Digitalisierung nur Gefahren sieht“, resümiert der Kommentator.
Die bekannten Kritiker des Rx-Versandverbots, Gerd Glaeske und Karl Lauterbach (SPD), meldeten sich in mehreren Regionalzeitungen zu Wort. „Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, einen europakonformen und verfassungsgemäßen Vorschlag einzubringen“, sagte Lauterbach der Westdeutschen Zeitung. Glaeske findet es „völlig übertrieben und abwegig“, dass der Apothekerverband für den Rx-Versandhandel ein langfristiges Potenzial von 25 Prozent des Gesamtumsatzes mit Arzneimitteln aus Apotheken sieht.
Vor zwei Tagen hatte einer der Hauptverfechter des Versandverbotes, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), auf Facebook gegenüber gestellt, was seine Partei den Bürgern versprochen hatte: „Die Versorgung durch ein ortsnahes Apothekenangebot werden wir sichern, indem wir den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verbieten.“ Darunter dann der Text, der im Koalitionsvertrag der Großen Koalition steht: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein.” Die Reaktionen sind eher negativ.
Einige Kommentatoren brandmarkten das Aussperren von E-Commerce im Apothekenbereich als rückschrittlich, von Klientelpolitik und Planwirtschaft ist die Rede. Dass sich chronisch Kranke nicht gerne von Politikern schikanieren lassen wollen, spiegeln etliche Kommentare wider; unter anderem ist davon die Rede, dass „es ja nichts Geileres gibt, als Medikamente von der Apotheke abzuholen“. Für Eigenlob sei es noch zu früh, fanden einige Kommentatoren. Denn noch sei nichts umgesetzt, außerdem sei die Formulierung abgeschwächt.
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