Seyfarth: Lauterbach-Reform gefährdet Menschenleben Patrick Hollstein, 23.05.2024 07:54 Uhr
„Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz“. Mit diesen Worten kündigte Holger Seyfarth, Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes (HAV), entschiedenen Widerstand der Apothekerschaft gegen die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Apothekenreform an. Denn der „Sneak Preview“ im Wahlkreis des parlamentarischen Staatssekretärs Edgar Franke (SPD) habe gezeigt, dass die Maßnahmen eine weitere Verschlechterung der Arzneimittelversorgung brächten.
„Seit Dienstag steht fest, dass der Bundesgesundheitsminister nicht die Arzneimittelsicherheit und die wohnortnahe Versorgung der Menschen in den Fokus rückt, sondern weiterhin an seinem umstrittenen Vorhaben mit unzähligen Verschlechterungen zu Lasten der Patientinnen und Patienten festhält. Dagegen werden wir im Sinne der Menschen entschieden protestieren und diese sich abzeichnende Scheinreform mit allen Mitteln zu verhindern versuchen“, so Seyfarth.
Die Apothekerschaft sei empört über die Art und Weise, in der das Bundesgesundheitsministerium seit vielen Monaten agiere: „Täglich verschwindet in der Bundesrepublik eine Apotheke von der Landkarte. Aber der Minister steuert nicht gegen, sondern verschließt sich seit über einem Jahr unseren Vorschlägen zur Sicherstellung der wohnortnahen Arzneimittelversorgung für die Menschen“.
Da sei es geradezu bezeichnend, dass Karl Lauterbach (SPD) seine Apothekenreform ursprünglich am 24. April in das Bundeskabinett einbringen wollte und tatsächlich bis heute noch nicht einmal ein Referentenentwurf vorliege, so Seyfarth weiter. „Das ist ein Schlag ins Gesicht der Bevölkerung, die ein Recht auf wohnortnahe, sichere und kompetente Arzneimittelversorgung hat“.
Auf dem Einsparungsaltar geopfert
Als ein konkretes Beispiel führte der HAV-Vorsitzende die geplante Abschaffung der pharmazeutischen Kompetenz für die Bevölkerung durch die von Lauterbach geplante Schaffung von „Pseudo-Apotheken“ an, in denen den Patientinnen und Patienten kein Apotheker mehr in Präsenz vertrauensvoll und in gewohnter Weise als beratender Experte für Arzneimittel zur Seite stehe. Der Apotheker als letzte Kontrollinstanz und als letzter Sicherheitsfaktor zwischen der ärztlichen Verschreibung und dem Patienten werde hier auf dem Einsparungsaltar geopfert. „Das ist eine nicht hinnehmbare Einschränkung in der Versorgung der Bürgerinnen und Bürger, geht zu Lasten der Arzneimittelsicherheit, kann Menschenleben gefährden und hat rein gar nichts mit Telepharmazie zu tun“, kritisierte Seyfarth.
Keine Entlastung bringe die Scheinreform zudem der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken, von denen immer mehr schließen, da die Inhaberinnen und Inhaber aufgrund der prekären wirtschaftlichen Rahmenbedingungen keine Nachfolgerinnen und Nachfolger mehr finden.
„Nach unseren Berechnungen verursachen Lauterbachs Vorhaben perspektivisch weitere Einbußen in Höhe von 170 Millionen Euro für die Apotheken in der Bundesrepublik, obwohl die seit 20 Jahren unveränderte Vergütung der Apotheken eigentlich umgehend eine zeitgemäße Anpassung benötigt“, so Seyfarth.
Existenzgefährdende Einschnitte
Stattdessen plane Lauterbach weitere Verschlechterungen, beispielsweise durch die Reduzierung des Aufschlages auf die Apothekenvergütung von 3 Prozent auf 2 Prozent, die für jede Apotheke ein durchschnittliches Ertragsminus von rund 30.000 Euro pro Jahr bedeute. „Das sind weitere einschneidende und existenzgefährdende Defizite für die öffentlichen Apotheken, die sich ganz speziell auch bei der Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln für die Patientinnen und Patienten negativ bemerkbar machen.“
Laut Seyfarth bleibt Lauterbach die für die Bevölkerung entscheidenden Antworten weiter schuldig: In welchem Umfang verbessere sich die wohnortnahe Arzneimittelversorgung für die Menschen durch diese offensichtlichen Verschlechterungspläne und wie viele Apotheken in der Fläche siedelten sich durch diese Scheinreform an welchen Standorten an? „Genau das eruiert man im Vorfeld von Reformen seriös, doch auch hier bleibt das Bundesgesundheitsministerium offenkundig auf seinem inakzeptablen, nebulösen Weg und Antworten schuldig.“
Vorausgegangen war am Dienstagabend im nordhessischen Gudensberg eine Diskussionsveranstaltung mit Franke sowie dem zuständigen BMG-Abteilungsleiter Thomas Müller, an der neben Seyfarth auch rund 80 weitere Apothekerinnen und Apotheker aus ganz Hessen teilnahmen.