Narkosemittel

Sevofluran-Generikum: Ärzte kämpfen gegen AOK

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Berlin -

Mehrere Stuttgarter Anästhesisten wehren sich gegen die AOK Baden-Württemberg. Über Regressandrohungen wolle die Kasse ihnen vorschreiben, das kostengünstigere Sevofluran-Generikum zu verwenden. Die Mediziner verweigern die Anwendung dieses Narkosemittels, da eine Applikation aus ihrer Sicht mit Risiken verbunden ist. Das geht aus Berichten der Stuttgarter Nachrichten hervor.

Im Mittelpunkt der Diskussion steht das Inhalationsanästhetikum Sevofluran. Das derzeit für 215 Euro erhältliche Originalprodukt von Abbvie (Sevorane) ist im Visier der AOK Baden-Württemberg, denn seit 2014 bietet die Firma Piramal ein Generikum (Sevofluran Piramal) an, das nur 150 Euro kostet. Ein Grund für die Kasse zu sparen: „Über diesen Preisvorteil wurden Ärzte, die häufig Sevofluran verordnen, mit zweimaligen Beratungsschreiben im September und Dezember 2015 informiert“, so wird die offizielle Auskunft der AOK zitiert. Damals kostete das Original sogar 280 Euro.

Ein Arzt, der im Beitrag unter dem Pseudonym Anton G. zu Wort kommt, kritisiert insbesondere, dass das Generikum nicht über eine Larynxmaske, also eine Kehlkopfmaske, verabreicht werden dürfe. Als Begründung nennt er die Hinweise der Fachinformationen: „Sevofluran wird über eine Gesichtsmaske oder einen Endotrachealtubus (ein Beatmungstubus) verabreicht.“ Problematisch finde der Arzt auch, dass das Mittel laut Sicherheitsdatenblatt im Verdampfer zu Korrosionserscheinungen führen könne. „Will ich das dem Patienten dann in die Lunge blasen?“

„Pharmakonzern wehrt sich“, schreibt die Autorin des Artikels. Reinhold König, Forschungs- und Entwicklungleiter bei Piramal, widerspricht dem Mediziner: „Die Larynxmaske ist nach unserer Interpretation in der Indikation dadurch abgedeckt, dass es eine Unterart der Endotrachealbeatmung ist. Die Packungsbeilage fordert den Anästhesisten dazu auf, die Atemwege freizuhalten. Dies kann mit der Larynxmaske erreicht werden und folgt damit der Packungsbeilage.” Auch ein Sprecher des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stimme König zu, schreiben die Stuttgarter Nachrichten.

Weiterhin mache der Herstellungsort die Ärzte skeptisch: Anton G. behauptet, dass das Generikum in Mumbai/Indien produziert werde, da dort der Firmensitz sei. „Nach den Meldungen der vergangenen Zeit über den Medikamente-Pfusch dort wird man im höchsten Maße misstrauisch“, wird Anton G. zitiert. König erklärt, dass die Produktion in den USA stattfinde und weist darauf hin, dass das Land der Herstellung Firmengeheimnis sei und deshalb nicht in den Patienten- und Fachinformationen auftauche. Zudem sei der deutsche Sitz der Firma „ungewöhnlich für eine Pharmafirma“, heißt es im Beitrag mit Blick auf die Rechtsform der GmbH. „Das ist eine Rechtsform für eine Würstchenbude. Denn da haftet man mit gerade einmal 25.000 Euro – da würde ein Patient mit einer Schadensersatzklage nicht weit kommen“, so Anton G.

Bei der Anwendung von Sevofluran kann giftige Flusssäure gebildet werden, vor allem „wegen Verunreinigungen in den Stoff gelangen“, sagt König. Doch das sei extrem selten und seit der Markteinführung nicht einmal dokumentiert worden. Anton G. kritisiert in diesem Zusammenhang, dass beim Generikum per Geruchsprobe darüber geurteilt werden soll, ob das Narkosemittel einwandfrei ist. In der Fachinformation stehe: „Nur Flascheninhalte ohne beißenden Geruch verwenden“. Bei Originalhersteller könne man diesen Satz nicht finden. Für das Personal sei das eine Zumutung, so der Arzt, denn Verätzungen der Lunge könnten die Folge sein. Auch fehle der Hinweis, wann der Anwender den Geruch überprüfen solle: „Beim Öffnen der Flasche, also vor dem Einfüllen in den Verdampfer? Oder vor jeder Narkoseeinheit?“

Die Krankenkasse bezieht sich in ihren Ausführungen auf die regulatorischen Anforderungen an Arzneimittel: „Die Firma Piramal hat gegenüber den Zulassungsbehörden den Nachweis erbringen müssen, dass Sevofluran Piramal therapeutisch äquivalent zum Originalpräparat Sevorane der Firma Abbvie ist“. Anton G. akzeptiere zwar, dass die Wirkstoffe identisch sein, Verpackung und Anwendungsweise machten aber den Unterschied aus. Bisher ist es laut AOK nicht „zu irgendwelchen Probleme gekommen“. Insgesamt positioniert sich die Kasse auf die Seite des Generikaherstellers: „Gäbe es Mängel, wäre Sevofluran von Piramal gar nicht zugelassen worden.“

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