Ärztliche Therapiehoheit nach Fortbildung

Selektivvertrag: AOK verzichtet auf Genehmigung bei Cannabis

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Berlin -

Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und die AOK Rheinland/Hamburg wollen Patient:innen den Zugang zu medizinischem Cannabis erleichtern. Ein Selektivvertrag soll die berüchtigten Kostenübernahmeanträge erübrigen und so die ärztliche Therapiehoheit in dem Bereich herstellen – allerdings nur bei Schmerzpatient:innen und Ärzt:innen, die eine Fortbildung absolviert haben.

Die Erstattung durch die Krankenkassen ist nach wie vor eines der engsten Nadelöhre für den Zugang zu einer Therapie mit medizinischem Cannabis: Anders als bei anderen Arzneimitteln müssen Patient:innen nach einer ärztlichen Verordnung erst einmal einen Kostenübernahmeantrag stellen – und haben damit oft eine Menge Ärger. Im Schnitt rund jeder dritte Antrag wird abgewiesen, nicht selten beschäftigen die Streitigkeiten die Sozialgerichte, die mal zugunsten der Patient:innen, mal zugunsten der Kassen entscheiden. Und selbst wenn es so weit gar nicht erst kommt, dauert es oft lange und ist für Patient:innen und Ärzt:innen mit großem Aufwand verbunden.

Das wollen die DGS und die AOK nun ändern: Ein Strukturvertrag soll die Erstattung von Cannabis ohne eine vorherige Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) ermöglichen. Das geht allerdings nicht in der Fläche, sondern nur für Schmerzpatient:innen und bei ausgewählten Ärzt:innen – denen die AOK vertraut. Sie können dem Vertrag nicht einfach beitreten, sondern müssen ein 20-stündiges CME-zertifiziertes Weiterbildungscurriculum absolvieren, das mit einer anschließenden Lernerfolgskontrolle abgeschlossen wird.

Das Curriculum „Schmerzkompetenz Cannabis“ wurde von der DGS entwickelt und steht allen Vertragsärzt:innen offen. Darin werden sie unter anderem zu Grundlagen, Standardtherapien und Indikationen für Cannabinoide, suchtmedizinische Aspekte, Nebenwirkungen und Kontraindikationen fortgebildet. Außerdem sind die teilnehmenden Vertragsärzt:innen dazu verpflichtet, regelmäßig an CME-zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen und sich jährlich zu rezertifizieren. Ob diese Maßnahme dabei helfen wird, die Zahl der Ärzt:innen zu erhöhen, die befähigt und bereit sind, eine Cannabistherapie zu begleiten – ein zweites entscheidendes Nadelöhr – kann bezweifelt werden.

Für die Patient:innen derjenigen Ärzt:innen, die die Fortbildung absolviert haben, soll sie hingegen eine spürbare Erleichterung bringen. Verordnung heißt dann nämlich auch automatisch Erstattung, wie bei anderen Arzneimitteln. Die Therapieentscheidung liegt dann auch bei Cannabis wieder vollkommen bei Ärzt:in und Patient:in. „Durch den Abbau bürokratischer Hemmnisse stellen wir sicher, dass Betroffene eine qualitätsgesicherte und kompetente ärztliche Begleitung sowie eine auf ihre individuellen Bedürfnisse abgestimmte Versorgung erhalten“, so Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. „Patientinnen und Patienten erhalten so einen schnelleren Zugang zu der Medikation, die sie benötigen.“

Die DGS betont den Mehrwert für die Patient:innen. „Damit ist ein weiterer wichtiger Schritt für die DGS als Versorgergesellschaft getan, um schwerstkranke Menschen effizienter, kompetenter und zügiger zu versorgen“, sagt DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann. „Den so geschulten ärztlichen Verordnenden wird das Vertrauen entgegengebracht, dass sie Cannabinoide kompetent verordnen können.“ Bereits seit Dezember 2020 seien DGS und AOK in Gesprächen gewesen, um die Cannabisversorgung zu verbessern.

Der nun geschlossene Selektivvertrag wird wissenschaftlich begleitet und soll später ausgewertet werden. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit von Verordnungen sei nicht aufgehoben, betont Horlemann dabei. „Der Strukturvertrag, den die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin und die AOK Rheinland/Hamburg geschlossen haben, bekräftigt, was bereits seit März 2017 gesetzlich verankert ist: den Anspruch von Menschen, die unter chronischen Erkrankungen und die Lebensqualität stark beeinträchtigenden Schmerzen leiden, auf eine ergänzende Therapie mit medizinischen Cannabis-Präparaten“, so Mohrmann.

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