Selbstmedikation

Becker: Rabattverträge ruinieren Zusatzverkauf

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Berlin -

Mehr Selbstmedikation aus der Apotheke – das forderte Fritz Becker, der Vorsitzende des Deutschen Apothekerverbands (DAV), bei der Mitgliederversammlung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH) in Berlin. Er rief die Apotheker dazu auf, mit den Patienten über die Selbstmedikation zu sprechen – statt es sich leicht zu machen und sie zum Arzt zu schicken. Aus Beckers Sicht muss bei allen Beteiligten mehr Bewusstsein für die eigenverantwortliche Therapie geschaffen werden.

Für die Apotheker sei die Selbstmedikation bereits „ein wichtiges Thema“. Bei der Politik spiele sie hingegen eine sehr untergeordnete Rolle. Das sieht auch Professor Dr. Uwe May kritisch, der für den BAH die Selbstbehandlung analysiert hat: „Wir können und sollten es uns nicht erlauben, auf die Selbstbehandlung zu verzichten.“

Dass auf den OTC-Bereich bislang nur der kleinere Teil des Apothekenumsatzes entfällt, führt Becker vor allem auf eine „Vollkasko-Mentalität“ bei den Patienten zurück: Man zahle seinen Kassenbeitrag und erwarte, mindestens diese Summe wieder herauszubekommen. „Davon müssen wir weg“, so Becker.

Aber auch bei den Apotheken selbst sieht Becker Potenzial: „Das OTC-Geschäft trägt gewaltig zum Ertrag bei – und da ist noch Luft, kein Zweifel.“ Früher hätten Apotheker die Einlösung eines Rezeptes noch dafür genutzt, den Patienten auch andere Arzneimittel zu empfehlen. Durch Rabattverträge und die damit verbundene ausführlichere Suche nach dem passenden Präparat sei der Patient heute meist schon ungeduldig. „Es geht Zeit verloren, die man vorher nutzen konnte“, so Becker.

Aber auch in der Standespolitik selbst ist das Thema dem DAV-Chef zufolge noch nicht so angekommen, wie er es sich wünscht: Bei den DAV-Vorstandssitzungen werde meist umfangreich über den Hilfsmittelmarkt mit seinem geringen Umsatz und den Riesen-Problemen diskutiert – und wann man dann zu den OTC-Themen komme, sei die Luft raus. Aus Beckers Sicht gehört das Thema aber auch in die einzelnen Verbände. In Baden-Württemberg gebe es etwa eine eigene OTC-Abteilung.

Auch Michael Becker, OTC-Chef bei Pfizer, kritisierte, dass der OTC-Markt in Deutschland „nicht der dynamischste“ sei. Er sieht neben den Herstellern, die gute Produkte liefern müssten, die Apotheker in der Pflicht: „Ganz wichtig ist die Beratung. Der Apotheker sollte das Produkt nicht einfach auf den Tisch legen, sondern etwas dazu sagen.“

Aus Mays Sicht ist noch mehr nötig, um die Selbstmedikation in der Apotheke zu fördern. „Was Apotheker in England oder in der Schweiz können, das können sie hier auch“, so May mit Blick auf Krankschreibungen oder Rezepte aus der Apotheke und Video-Schalten zum Arzt.

Zwar ist auch DAV-Chef Becker überzeugt, dass die deutschen Apotheker das gleiche leisten können wie ihre Kollegen im europäischen Ausland. Solche Vorschläge würden auch hierzulande diskutiert – aber zunächst intern. „Da liegt ein längerer, steiniger Weg vor uns“, so der DAV-Chef. Man stehe mit den Schweizer Kollegen im Austausch, allerdings gebe es dort auch ein anderes Verhältnis zur Ärzteschaft, so Becker mit Blick auf das Dispensierrecht. Daher dürfe man nicht zu forsch an das Thema herangehen, sondern müsse zunächst den Weg bereiten – sonst riskiere man einen „Achsenbruch auf den ersten Metern“.

Einig waren sich alle drei Diskutanten, dass die Selbstmedikation in die Apotheke gehört. Auch die Experten, die May für seine Studie befragte, sprachen sich ausnahmslos für die Apothekenpflicht aus. „Wenn ich etwa im Mass Market sehe, ist es nicht so wertvoll wie in der Apotheke“, erklärt der Pfizer-Geschäftsführer. Und der DAV-Chef betont: „Die Apothekenpflicht ist das Maß aller Dinge.“

Auch OTC-Switches sieht Becker positiv. Jeder Kollege kenne Fälle aus dem Notdienst, in denen der Patient in Not sei und man helfen könne. Als positives Beispiel führte Becker die „Pille danach“ an.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe die Bedeutung der Selbstmedikation ebenfalls völlig unterschätzt, so Becker mit Blick auf das geplante E-Health-Gesetz und den Medikationsplan, den nach dem Willen der Bundesregierung nur die Ärzte erstellen sollen. „Die Liste ist ohne die Selbstmedikation nur die Hälfte wert“, so Becker.

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