Selbstdispensation

Debatte ums Dispensieren

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Berlin -

Eigentlich ist die ärztliche Selbstdispensation in Deutschland kein Thema – genauso wenig wie es Apothekenketten sind. Doch so wie vor einigen Jahren Celesio versuchte, das Fremd- und Mehrbesitzverbot auf die Agenda zu bringen, beschwört NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) jetzt die Abgabe von Medikamenten durch Mediziner herauf. Nicht nur die Apotheker, sondern auch die Ärzte sind überrascht.

Immer wieder gab es in den vergangenen Jahren einzelne Vorstöße, ein Dispensierrecht für Ärzte einzuführen. 2008 ging es beispielsweise um die Substitutionstherapie: Ärzte sollten opiathabhängigen Patienten, die an einem Drogenersatzprogramm teilnehmen, die Medikamente für Wochenenden und Feiertagen überlassen zu dürfen, hieß es in einem Beschluss des Deutschen Ärztetags.

Dieser Wunsch wurde allerdings nicht erfüllt: Zwar wurde 2009 die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) dahingehend geändert, dass Ärzte Substitutionspatienten in Ausnahmefällen die erforderlichen Mittel für bis zu zwei Tage verschreiben können. Die Abgabe erfolgt aber nach wie vor in Apotheken – die Ärzte halten an ihrer Forderung fest.

2012 erwirkten die Palliativmediziner mit der AMG-Novelle, dass sie ihren Patienten im Ausnahmefall Betäubungsmittel überlassen dürfen, sofern die Besorgung des Arzneimittels aus der Apotheke nicht rechtzeitig möglich ist. Da es um die Versorgung schwerkranker Menschen ging, hatten die Apotheker in der politischen Debatte keine gewichtigen Gegenargumente vorzubringen.

Stattdessen sorgten Kammern und Verbände in einigen Ländern im Nachgang dafür, dass die entsprechenden Notfallmedikamente in den Apotheken vorrätig gehalten werden. Das ist offenbar auch für die Ärzte einfacher: Einer Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zufolge wird die Ausnahmeregelung nur von wenigen Ärzten genutzt – sie sei zu bürokratisch und zu kompliziert.

Ansonsten wurde das Dispensierrecht in der politischen Debatte eher als Drohszenario genutzt: Der damalige Vorsitzende des NAV-Virchow-Bundes, Dr. Klaus Bittmann, brachte etwa 2009 ein ärztliches Dispensierrecht ins Gespräch – wollte diesen Vorschlag aber lediglich als Warnsignal an die Politik verstanden wissen. Sein Nachfolger, Dr. Dirk Heinrich, erklärte 2010 mit Blick auf Österreich und die Schweiz, das Dispensierrecht könne ein Lösungsweg sein, um die ärztliche Versorgung in schlecht versorgten Gebieten zu verbessern.

Dass der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, wiederholt pro Selbstdispensation gepoltert hat, ist wohl eher dem Schulterschluss der ABDA mit der KBV geschuldet. 2012 ließ sich Weigeldt, der selbst gerne beim Medikationsmanagement mitgemacht hätte, beispielsweise darüber aus, dass dem ABDA/KBV-Modell „so langsam die Luft ausgeht“. Die Alternative: ein „Dispensierrecht für Hausärzte, aber nicht unbedingt nur für Hausärzte“.

Ebenfall der Rivalität unter den Ärzteverbänden ist der Vorstoß der „Freien Allianz der Länder-KVen“ (FALK) zuzurechnen. Die KVen aus Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern verstehen sich als Gegenbewegung zur KBV. Im Mai 2012 forderten sie ein eingeschränktes Dispensierrecht für Ärzte. Im Bereitschafts- beziehungsweise Notdienst sollte es Medizinern erlaubt sein, bestimmte Wirkstoffe und Medikamentengruppen abzugeben.

Zuletzt war das ärztliche Dispensierrecht im Rahmen der Notdienstversorgung in den Koalitionsverhandlungen thematisiert worden. Statt Ärzte Arzneimittel abgeben zu lassen, haben sich Union und SPD aber darauf verständigt, Apotheken in die geplanten Kooperationen von Krankenhäusern und KVen einzubeziehen. Dass daraus erneut eine Debatte über das Dispensierrecht erwachsen könnte, hätte wohl niemand gedacht.

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