Sechs Ermittlungsverfahren

Rezeptfälscherin will sich nicht erfassen lassen

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Berlin -

Das Verwaltungsgericht München musste sich Anfang des Jahres mit einem kuriosen Anliegen befassen: Eine mutmaßliche Rezeptfälscherin, die schon mehrfach in Zusammenhang mit Betäubungsmitteldelikten aufgefallen ist, beantragte Rechtsschutz – und zwar gegen die Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung. Trotz mehrerer Rezeptfälschungs- und BtM-Verfahren weigerte sie sich, Lichtbild und Fingerabdrücke abzugeben. Die Polizei könne sich die ja bei der Passstelle besorgen, so ihr Argument.

Verurteilt ist die Frau im aktuellen Fall noch nicht – aber das Register an Vorstrafen und Straftaten, die ihr aktuell vorgeworfen werden, lassen es zumindest abwegig erscheinen, dass ihre Rechtschaffenheit über jeden Zweifel erhaben ist. Momentan ist sie Beschuldigte in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, weil sie im Mai 2020 in einer bayerischen Apotheke dabei erwischt wurde, wie sie ein gefälschtes Rezept über Zolpidem einlösen wollte. Das war anscheinend kein Einzelfall: Gleich vier weitere Ermittlungsverfahren wurden zwischen Mai und Juni 2020 wegen mutmaßlicher Rezeptfälschung gegen sie eingeleitet.

Der Vorwurf lautet stets Rezeptfälschung zur Erlangung von Ausweichdrogen. Die hat sie sich aber scheinbar nicht nur für sich selbst besorgen wollen: Denn gleichzeitig läuft noch ein sechstes Ermittlungsverfahren gegen sie, in dem sie beschuldigt wird, das Zolpidem weiterverkauft zu haben. Allein dafür drohen laut § 29 Betäubungsmittelgesetz bis zu fünf Jahre Haft. Erschwerend dürfte hinzukommen, dass die Frau bereits in der Vergangenheit mit ähnlichen Delikten auffällig geworden war. So wurde sie 2017 rechtskräftig verurteilt, weil sie im Dezember 2016 unter Drogeneinfluss Auto fuhr. Ein weiteres Verfahren wegen Besitzes von Kokain war auf Grundlage einer Teileinstellung beendet worden.

Dass die Polizei sie angesichts dieser Reihe an Verfahren und Delikten erkennungsdienstlich erfassen wollte, hielt sie dennoch für abwegig. Im Juli vergangenen Jahres war sie vorgeladen worden, zur Anfertigung von Lichtbildaufnahmen, der Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken und der Erstellung einer aktuellen Personenbeschreibung auf der Polizeiinspektion zu erscheinen. Bei Zuwiderhandlung wurden ihr 250 Euro Strafe angedroht.

Die Erfassung begründete die Polizei explizit mit ihrer mutmaßlichen Rezeptfälscherkarriere: Die Antragstellerin weise eine deutliche Neigung zur Rezeptfälschung auf, um verschreibungspflichtige Medikamente zu erlangen. Die daraus ersichtliche Beschaffungskriminalität sei nach kriminalistischer Erfahrung häufig mit Wiederholungstaten verbunden – deshalb sei auch bei der Antragstellerin zu erwarten, dass sie zukünftig in gleicher Weise strafrechtlich in Erscheinung treten wird. Daher sei die erkennungsdienstliche Behandlung erforderlich, um insbesondere mögliche weitere Betäubungsmitteldelikte aufzuklären.

Doch die beschuldigte sah das ganz anders. Bereits einen Tag nach dem angesetzten Termin reichte sie am Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage ein. Ihre Begründung: Die Polizeiinspektion, die sie vorgeladen hat, sei örtlich gar nicht zuständig, da die Ermittlungen in dem anhängigen Verfahren durch eine andere Polizeiinspektion geführt würden. Im Zuständigkeitsbereich der Inspektion, die sie vorgeladen hat, sei nur ein Fall der Rezepteinlösung festgestellt worden. Auch hätten weder Staatsanwaltschaft noch die andere Polizeiinspektion Anlass für eine erkennungsdienstliche Behandlung gesehen. Außerdem stünden keine weiteren Betäubungsmitteldelikte im Raum. Und die Fertigung von Lichtbildern sei sowieso nicht erforderlich – ein Foto von ihr könne sich die Polizei schließlich bei der Passbehörde beschaffen.

Wenig überraschend konnte sie das Verwaltungsgericht damit nicht überzeugen. „Der Einwand der Antragstellerin, selbst im Ermittlungsverfahren sei kein Anlass für erkennungsdienstliche Maßnahmen gesehen worden, greift nicht durch“, so die Richter. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr sei durchaus gerechtfertigt – schließlich hatte nicht einmal die Frau selbst die Erkenntnisse aus den Ermittlungsverfahren in Zweifel gezogen.

„Da gerade in jüngster Zeit mit Blick auf das Jahr 2020 aus kriminalistischer Sicht zumindest verstärkt Verdachtsmomente bestehen, dass sie wiederholt unter Vorlage falscher Rezepte verschreibungspflichtige Medikamente erlangen wollte“, sei die von der Polizei getroffene Prognose nachvollziehbar und daher nicht zu beanstanden, „zumal die ihr als Beschuldigte im weiteren Sinne zur Last gelegten Taten den Verdacht des Gebrauch von Medikamenten als Ausweichdrogen nahelegen und damit ein innerer Zusammenhang zu ihren bereits in der Vergangenheit festgestellten Verhaltensweisen in Bezug auf Betäubungsmitteldelikte bestehenden dürfte“, so das Verwaltungsgericht. Ob sie will oder nicht: Ihre Fotos und Fingerabdrücke liegen nun bei der Polizei und sollen helfen, sie bei eventuellen Rezeptfälschungen leichter zu überführen.

 

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