Schwintek: Apotheken müssen um Lohn betteln Nadine Tröbitscher, 24.04.2024 16:01 Uhr
Das Skonto-Urteil sorgt seit Februar für Wirbel. Inzwischen liegt die Urteilsbegründung vor, doch die Sorge der Apotheken ist weiterhin groß, denn die finanziellen Einbußen sind noch nicht konkret zu beziffern. Mehr als 3,15 Pozent Rabatt sind bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln nicht mehr zulässig – das trifft alle Apotheken, die Kleinen und die Großen. Was sind die Alternativen?
Im Raum steht ein Defizit von rund 22.500 Euro für die Durchschnittsapotheke, große Apotheken könnten weit über 50.000 Euro verlieren – oder 50 Cent pro Packung, so Dr. Sebastian Schwintek von der Treuhand Hannover auf dem DAV-Wirtschaftsforum.
Schwintek hat ein Szenario gezeichnet und dafür die Apotheken in drei Drittel unterteilt – kleine Apotheken mit 1,7 Millionen Euro, mittlere Apotheken mit 2,9 Millionen Euro und große Apotheken mit 5,6 Millionen Euro Umsatzerlös. Beim Betriebsergebnis zeigen sich folgende Zahlen: 67.000 Euro für kleine Apotheken, 128.000 Euro für mittlere Apotheken und 249.000 Euro für Apotheken im oberen Drittel.
Nach demn Skonto-Urteil geht das Betriebsergebnis runter – auf 56.000 Euro, 106.000 Euro beziehungsweise 199.000 Euro – hinzu kommt gegebenenfalls ein Minus durch Umverteilungseffekte. Der Stückgewinn sinkt weiter auf minus 46 Cent im zweiten Quartal.
Was sind die Kompensationsmöglichkeiten?
- Servicegebühren
- Angebot einer vorverzinsten Vorauskasse
- Werbekostenzuschüsse oder andere nicht Rx-bezogene Boni
- Erhöhung der Vergütung für bisherige Rabattausschlüsse, Sonderartikel oder bei der Non-Rx-Ware
- Wegfall der Reduzierung des Handelsspannenausgleichs
Das Argument, die Apotheken seien auf die Skonti angewiesen, um eine flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung sicherzustellen, lässt der BGH nicht gelten: „Die angemessene Vergütung der Apotheken wird nicht durch die Gewährung verbotener Rabatte auf die Großhandelspreise, sondern durch die in § 3 AMPreisV vorgesehenen Apothekenzuschläge gesichert, die – sollten sie hierfür nicht ausreichen – bei Bedarf vom Verordnungsgeber angehoben werden können.“
Es kann nicht sein, dass die Apotheke ihren Lohn für ihren Versorgungsauftrag bei den Marktpartnern zusammenbetteln muss
Wie geht es weiter? Es stehen verschiedene Fragen im Raum:
- Hält die Industrie die Konditionen für den Großhandel aufrecht?
- Gewinnt der Großhandel Marktanteile aus dem Direktgeschäft?
- Welche Kompensationen gibt es durch den Großhandel?
- Gibt es eine Korrektur der Korrektur: Skonti ins Gesetz? – Möglicher schneller, effizienter Weg aber ohne einen Cent mehr im System.
- ApoRefG: Aufgabe der Umverteilungspläne?
- Wann gibt es spürbare Honorarmaßnahmen gegen strukturelle Unterfinanzierung?
Markt wartet ab
Im Markt gibt es noch keine Reaktionen, aber viele Signale. So werde man im Mai reden und Änderungen im Juni kommen – aber von Großhandel zu Großhandel unterschiedlich. Fristen gibt es keine. Skonti wurden als wettbewerbsrechtliches Verhalten identifiziert. Abmahnungen sind möglich.
„Durch das Skonto-Verbot haben alle Apotheken ein finanzielles Problem“, macht der DAV-Vorsitzende Hans-Peter Hubmann, der selbst keine große Apotheke hat, deutlich. „Der Sozialneid ist unverantwortlich.“ Wer mehr leiste, solle auch mehr verdienen. Hubmann spreche für alle Apotheken, denn es brauche alle Apotheken, um die Versorgung zu sichern. Wenn Gewinn durch das Skonto-Verbot wegfalle, müsse dies durch eine angemessene Honorarerhöhung ausgeglichen werden.
„Der Großhandel ist kein Reparaturbetrieb für eine unzureichende Apothekenvergütung“, so Hubmann. „Es muss etwas passieren, einfach laufen lassen, kann man es nicht.“ Zudem habe der BGH in seinem Urteil einen Punkt nicht berücksichtigt, so Hubmann: Der Großhandel beliefert die Apotheken mehrmals täglich. „Die Herleitung von Haemato zum Großhandel hinkt.“ Der Großhandel macht Teillieferungen und stellt dann eine Rechnung, während es bei Haemato um eine Lieferung geht.
Strukturen in Gefahr
Das Skonto-Urteil könne die Versorgung gefährden, so Schwintek. So könnten spezialisierte Apotheken, die ein großes Warenlager an Hochpreisern haben, massiv betroffen sein – und sich die Versorgungsstrukturen ändern. Aber auch die Industrie könnte dem Großhandel Rabatte streichen, weil dieser keine Skonti mehr gewähren darf.