Schwarzbuch: eGK-Uralttechnik skandalös Lothar Klein, 06.10.2017 11:38 Uhr
Jedes Jahr prangert der Bund der Steuerzahler die Verschwendung öffentlicher Gelder an. Im aktuellen Schwarzbuch nimmt er die elektronische Gesundheitskarte (eGK) als „skandalöses Beispiel“ aufs Korn. Elf Jahre nach ihrer Einführung könne die eGK immer noch nicht richtig genutzt werden. Dabei beliefen sich die Kosten für Entwicklung und Hardware auf rund 2,2 Milliarden Euro. Und inzwischen sei die Technik veraltet.
„Schon im Jahr 2004 wurde die gesetzliche Grundlage für die Einführung eines digitalisierten Gesundheitswesens geschaffen“, heißt es im Schwarzbuch. Mit der eGK, die den Zugang zu allen wichtigen Patientendaten für jeden Arzt und Apotheker ermöglichen soll, wäre es theoretisch möglich, dass die behandelnden Mediziner in der Notaufnahme schnell einsehen können, welche Vorerkrankungen der Patient habe und ob er bestimmte Medikamente einnehme, die für die Diagnose und Behandlung eine Rolle spielten. „Doch das alles ist bisher reine Theorie“, so die Schwarzbuch-Autoren.
Im Jahr 2015 sei die eGK endlich mit einer Verspätung von neun Jahren ausgeliefert worden. Neu seien zu diesem Zeitpunkt aber nur das Passbild des Versicherten gewesen, das auf die Karten gedruckt wurde, und ein Vermerk zum Geschlecht. „Alle anderen Funktionen können bis heute nicht genutzt werden. Bemerkbare Fortschritte sind seither Fehlanzeige“, kritisiert der Steuerzahlerbund.
In diesem Jahr solle mit einer Verspätung von dann elf Jahren die Anbindung aller Praxen und Kliniken über die Telematikinfrastruktur an die eGK erfolgen. Besonders ärgerlich seien die horrenden Umstellungskosten für die Anwender. In den kommenden fünf Jahren würden für diese „Uralttechnik“ mehr als 1,5 Milliarden Euro fällig. Dabei gebe es mittlerweile funktionstüchtige und kostengünstige Alternativen, „die offenbar politisch nicht gewollt sind“.
„Da elf Jahre in der Software- und Hardwareentwicklung mehrere Technikgenerationen ausmachen, wird die eGK, wenn sie jemals umgesetzt wird, vollkommen veraltet sein“, äußert der Steuerzahlerbund erhebliche Zweifel am Sinn des kostspieligen Projekts. Außerdem sei das System noch lange nicht leistungsfähig. „Viele der geplanten Anwendungen, wie die elektronische Fallakte, die Organspendeerklärung, die Sicherheitsprüfung für Arzneimittel-Therapie oder die elektronische Patientenakte befinden sich noch in der Entwicklung“, heißt es im Schwarzbuch.
Der Steuerzahlerbund kritisiert außerdem, dass in der geplanten Telematikinfrastruktur (TI) der Patient nicht Herr seiner eigenen Daten sei. „So wird es für die Patienten nicht möglich sein, all ihre Patientendaten zu verwalten, da für den Zugriff auf einen Teil der Datensätze ein elektronischer Heilberufsausweis erforderlich ist. Die Versicherten dürfen lediglich auf Verwaltungsfunktionen zugreifen, also die PIN ändern, die Gültigkeit der eGK prüfen, das Zugriffsprotokoll lesen oder Anwendungen sichtbar beziehungsweise unsichtbar machen“, kritisieren die Autoren. Dies werde eine „erneute Debatte über das System auslösen“, so der Steuerzahlerbund.
Mittlerweile gibt es sogar Überlegungen, das Projekt „elektronische Gesundheitskarte“ nach der Bundestagswahl für gescheitert zu erklären, so der Steuerzahlerbund. So arbeitet das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam bereits an einer Gesundheits-Cloud für Gesundheitsdaten und darauf basierenden Anwendungen. Diese orientiert sich mehr am Nutzer, also an den Patienten selbst, und weniger an den ständig wechselnden Anforderungen von Krankenkassen, Dienstleistern und dem Gesetzgeber.