GKV-Leistungskatalog

Schwarz-Gelb erschwert Arzneimittel-Ausschluss Désirée Kietzmann, 27.09.2010 14:15 Uhr

Berlin - 

Die Krankenkassen befürchten, dass sie künftig auch Medikamente ohne nachgewiesenen Nutzen erstatten müssen. Grund ist ein Änderungsantrag der Koalition zum Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG). Demzufolge soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Verordnung von Arzneimitteln künftig nur noch einschränken oder ausschließen dürfen, wenn die Unzweckmäßigkeit erwiesen ist. Bislang konnte der G-BA Medikamente bei nicht belegtem Nutzen ausschließen.

„Ein Verordnungsausschluss wegen fehlendem Nutzennachweis ist ausgeschlossen“, heißt es im Änderungsantrag. Denn Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit würden bereits bei der Zulassung geprüft. Dies stelle sicher, dass das Arzneimittel grundsätzlich für die zugelassenen Indikationen geeignet sei. Der G-BA dürfe Medikamente nicht abweichend von der Beurteilung der Zulassungsbehörde bewerten.

Die Beweislast würde damit nicht mehr beim Hersteller, sondern beim G-BA liegen. Das Gremium sieht sich allerdings nicht in der Lage, die Unzweckmäßigkeit wie gefordert nachzuweisen. Der G-BA könne den Nachweis aus eigenen Erkenntnissen heraus nie führen, schreibt das Gremium in seiner Stellungnahme zum AMNOG. Der Hersteller hätte es damit selbst in der Hand, durch Unterlassen weiterer Studien Verordnungseinschränkungen während der Patentlaufzeit zu verhindern.

Auch Wolfgang Kaesbach, Leiter der Abteilung Arzneimittel beim GKV-Spitzenverband, hält den Nachweis der Unzweckmäßigkeit für objektiv unmöglich. „Wer so etwas macht, schafft die Nutzenbewertung ab“, sagte Kaesbach auf der Jahrestagung des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller (BAH). Verordnungsausschlüsse oder -einschränkungen seien auf dieser Grundlage nicht mehr möglich.

Die therapeutische Wirksamkeit könne nicht mit dem patientenrelevanten Nutzen gleichgesetzt werden. „Das ist wissenschaftstheoretischer Unsinn“, so Kaesbach. Entscheidend für den Nutzen sind aus Sicht von Kassen und G-BA patientenrelevante Endpunkte wie Morbidität und Mortalität und nicht die in Zulassungsstudien häufig betrachteten Surrogatparameter.

Die Kassen sehen die geplante Änderung als Erfolg der Pharmalobby. Dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) sei es grandios gelungen, die Politik einzuleimen, sagte Kaesbach dem „Spiegel“. Einem Bericht des Magazins zufolge ist ein Gutachten der Anwaltskanzlei Clifford im Auftrag des VFA Grundlage für die Neuerung - mit teils identischem Wortlaut.

Der Leiter der Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Professor Dr. Jürgen Windeler, hofft noch auf Änderungen: „Ich frage mich ernsthaft, ob diejenigen, die einen solchen Vorschlag gemacht haben, die Konsequenzen wirklich bedacht haben.“ Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn hat unterdessen angekündigt, die Passage noch einmal zu prüfen.