Landapotheke: Gedanken zum Gutachten Jutta Becker, 23.12.2017 09:22 Uhr
Waren Sie schon im neuen Star Wars Film? Ich habe mit meinen Kindern mal alle alten Star Wars Filme geschaut. Der ursprüngliche Held gelangt zur dunklen Seite der Macht. Die Grenzen von gut und böse sind schwimmend. Im Honorargutachten und der Politik ist dies anders. Hier gibt es jetzt endlich ein Feindbild: Der böse Apotheker! Die dunkle Seite der Macht! Ein Gastkommentar von Jutta Becker, Bären-Apotheke Bernsdorf.
Warum ich mich aber darüber aufrege, weiß ich nicht wirklich. An die geringe Wertschätzung meines Berufs bin ich eigentlich gewöhnt. Schon gleich nach dem 3. Staatsexamen musste ich zum Arbeitsamt, da ich meine neue Stelle erst einen Monat nach Abschluss antreten konnte. Ob ich denn rechnen könne. Der Supermarkt brauche jemanden für die Kasse – oder ob das zu schwer sei. Ferner musste ich dann noch zu einem einstündigen Gespräch zwecks einer Umschulung. Auch die Tatsache, dass ich ja schon eine Stelle hatte, änderte da nichts.
Mittlerweile arbeite ich seit zehn Jahren in der Apotheke. Wertschätzung bekomme ich sehr viel. Gerade jetzt an Weihnachten wird mir das bewusst. Unser kleines Apothekenteam der Landapotheke wurde mit selbstgemachten Plätzchen, mit einem selbstgebackenen Lebkuchenhaus und unzähligen anderen Naschereien von unseren Patienten beschenkt. Glühwein, liebevoll verpackter Kaffee oder Geld für die Kaffeekasse, ein Obstkorb, selbstgemachte Salami. Es ist einfach rührend, wie viel Dankbarkeit wir bekommen.
Jeden Tag merkt man eigentlich, dass man gebraucht wird. Wir fahren zu Patienten nach Hause und helfen ihnen, ihre Tabletten zu stellen. „Das ist doch Aufgabe vom Pflegedienst“, sagen hier einige und: „Ist ja kein Problem, schließlich gibt es ja die neuen Medikationspläne.“ Ja richtig, aber Frau M. ist gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden, sie sieht schlecht, kann kaum laufen, der Hausarzt hatte sie heute nur noch mit reingeschoben, eigentlich waren schon 80 Patienten da. Zeit war da keine. Der Pflegedienst wurde verständigt, der schaffe es eventuell morgen vorbeizuschauen. (Selbstverständlich auch erst mal unbezahlt, dass mit der Genehmigung dauert noch.)
Wirtschaftlich totaler nonsense, was wir da machen. Da macht der Apotheker einen Hausbesuch. Menschlich ein unglaublich schönes Gefühl, helfen zu können. Frau M. weint fast vor Freude, dass sie Hilfe bekommt.
Solche Beispiele gibt es noch viele in meinem Alltag, daher liebe ich auch meinen Beruf.
Bei der so genannten „Mischkalulation“ kein Problem. Herr M. hat seinen Blutdrucksenker schon seit 10 Jahren, den reiche ich „nur“ über den HV-Tisch und erkundige mich nach seiner krebskranken Frau.
Laut Gutachten ist jetzt Schluss mit Mischkalkulation. Schade, ob unsere Apotheke als erhaltenswert gilt, weiß ich nicht. Sieht aber nicht so gut aus, denn ich verdiene nämlich weniger als ein Krankenhausapotheker. Trotzdem wünsche ich allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Ich werde weiter machen. Vielleicht werde ich in den kommenden Jahren von meinen Plätzchen und Weihnachtsmännern leben. Im Moment geht es mir noch sehr gut, ich habe mein Einkommen und übe mich in Zufriedenheit. Hauptsache ich bleibe gesund, dann kann ich noch arbeiten, wo auch immer. In der Pflege wird händeringend Personal gesucht und die Politik möchte ja die Pflege verbessern. Pflegepersonal gilt derzeit als der gute Luke Skywalker.