Die Bundesregierung ist über das Corona-Testgeschehen in Deutschland nur grob im Bilde. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die APOTHEKE ADHOC vorliegt. Demnach kann das Bundesgesundheitsministerium (BMG) weder die aktuelle Anzahl durchgeführter Antigen-Schnelltests oder deren Abrechnungsvolumen mitteilen, noch kann sie aufgrund der ihr vorliegenden Daten einschätzen, wie viele Menschen bereits getestet wurden. FDP-Gesundheitspolitiker Dr. Wieland Schinnenburg erwartet bereits „den nächsten Skandal von Gesundheitsminister Spahn“.
Die Daten aus der Vergangenheit sind ungenau, die aktuellen unvollständig und eine Prognose wagt sie nicht: Die Bundesregierung weiß nur grob, wofür sie die Testvergütung ausgibt. So kann das BMG lediglich aus der sogenannten Transparenzdatenmeldung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) rekonstruieren, wie viele Testkits von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) gegenüber dem Gesundheitsfonds abgerechnet wurden: Im März waren es 13,8 Millionen, im April bereits 23,85 Millionen – allerdings sind die Zahlen da schon unvollständig, es fehlen jene aus Schleswig-Holstein, Bremen und dem Saarland. Zum Mai lassen sich überhaupt noch keine Angaben machen: Hier liegt die Zahl nach BMG-Angaben bisher bei 480.000 Tests – allerdings wurden erst aus sechs der 17 KV-Bezirke überhaupt Zahlen gemeldet.
Die bisherigen Zahlen sehen nach einem massiven Einbruch des Testvolumens aus: So fiel die Zahl Westfalen-Lippe von 4,54 Millionen im April auf 50.000 im Mai, in Hessen von 2,48 Millionen auf 10.000 und in Sachsen von 1,04 Millionen auf 1000 abgerechnete Testkits. Allerdings dürften die Zahlen vom Mai noch nicht alle Abrechnungen beinhalten. „Zudem ist zu beachten, dass die Datensätze keine Rückschlüsse auf die Anzahl getesteter Personen oder die Positiv- oder Negativrate der erfolgten Testungen ermöglichen und zwischen Leistungserbringung und Abrechnung mehrere Monate liegen können, so dass die Daten nicht das aktuelle Leistungsgeschehen wiedergeben“, räumt das BMG ein.
Zusammen mit den oben genannten Zahlen seien abgerechnete Sachkosten – ohne den Verwaltungskostenabzug der KVen – in Höhe von 225 Millionen Euro gemeldet worden. „Eine Darstellung der Zahl oder Höhe der abgerechneten Vergütungen für die Abstrichnahmen bei Schnelltestungen ist nicht möglich, da die Transparenzdaten hierbei nicht nach Art der Testung (z.B. Schnelltest, labor-basierter Antigen-Test, PCR-Test) unterscheiden.“
In welcher Höhe die Bürger:innen von ihrem wöchentlichen Anspruch auf kostenlose Bürgertests Gebrauch machen, kann das BMG also nicht beantworten. „Über die Gesamtzahl der wöchentlich durchgeführten Schnell- oder Selbsttestungen hat die Bundesregierung keine Kenntnis.“ Und auch der Blick nach vorn ist alles andere als scharf: Eine genaue Prognose sei aufgrund der vielen Einflussfaktoren nicht möglich. Eine grobe Prognose gibt sie auf Anfrage allerdings genauso wenig ab.
In Kombination mit den Debatten über Betrug und Missbrauch der abgerechneten Tests ist dieses löcherige Monitoring des Testaufkommens heikel: Die Bundesregierung zahlt, ohne zu kontrollieren. Gleichzeitig hat sie allen Anbietern – seriösen Apotheken wie windigen Geschäftemachern – das Honorar gekürzt. Kontrollen sollen verschärft werden, eine hinreichende Datengrundlage zur Auswertung der hunderte Millionen Euro hohen Ausgabenstrukturen wird hingegen nicht geschaffen.
So dränge sich der Eindruck auf, dass die Bundesregierung schlichtweg den Überblick verloren habe, kritisiert der bei der Anfrage federführende FDP-Mann. „Die Bundesregierung agiert vollkommen im Blindflug. Offenbar hat sie aus ihren Fehlern nichts gelernt“, so Schinnenburg. Er fordere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, für Klarheit bei den Corona-Tests zu sorgen und die Kosten unter Kontrolle zu bringen. „Nach der unkontrollierten Maskenbeschaffung und der unzureichenden Impfstoffversorgung folgt bei den Corona-Schnelltests der nächste Skandal von Gesundheitsminister Spahn.“
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