Bereits öfter haben die Hersteller von Corona-Schnelltests auf das Problem mit der neuen Verordnung für In-vitro-Diagnostika und die neue Verordnung über Medizinprodukte aufmerksam gemacht und vor eventuellen Engpässen gewarnt. Dabei ist die Situation gar nicht so neu – bereits 2017 wurde die Verordnung eingeführt.
Das EU-Parlament hatte vor Weihnachten die Verlängerung der Übergangsfristen für bestimmte In-vitro-Diagnostika beschlossen. Die Hersteller von Antigen-Schnelltests, Schwangerschafts- und HIV-Tests begrüßen diese Entscheidung: Ohne sie, so die Befürchtung der Industrie, wäre es zu anhaltenden Engpässen im Bereich der In-vitro-Diagnostika gekommen.
Bei der verlängerten Übergangsfrist handelt es sich nicht um die im Frühjahr bekannt gewordene Sonderzulassung seitens des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Diese bezog sich ausschließlich auf Antigen-Schnelltests. Ab Ausstellung ist diese drei Monate gültig, in dieser Zeit muss der Hersteller oder Vertreiber die geforderten Daten vorweisen, beispielsweise die CE-Kennzeichnung durch eine Benannte Stelle. Laut Aussagen des BfArM werden bereits seit dem Sommer keine Sonderzulassungen mehr ausgestellt, da es am Markt keinen Bedarf nach neuen Corona-Schnelltests gebe – die bereits am Markt befindlichen Produkte deckten die Nachfrage.
Zwei Verordnungen greifen ineinander: Die neue Verordnung über In-Vitro-Diagnostika (IVD) ist bereits 2017 in Kraft getreten. Durch eine Übergangsregelung wird diese im Mai verpflichtend. Ebenfalls neu ist die Medizinprodukte-Verordnung. Diese gilt bereits seit dem 26. Mai 2021. Durch die beiden Verordnungen kommen neue Regeln und Anforderungen auf die Hersteller und Vertreiber zu.
Die neuen Regelungen machen es beispielweise erforderlich, dass In-vitro-Diagnostika registriert werden und nach der Einführung in den Markt rückverfolgbar sein müssen. Generell sollen die Hersteller von den Benannten Stellen strenger überwacht werden. Und genau hier liegt ein Problem: Die bisher Benannten Stellen können den Aufwand der Prüfung nicht bis zum eigentlich angedachten Ende der Übergangsfrist stemmen. Lediglich sechs Benannte Stellen existieren bislang. Zu wenig, um alle Antigen-Schnelltests, Schwangerschaft und HIV-Tests auf die neuen geforderten formalen Kriterien hin zu prüfen.
An dem Produkt an sich ändert sich somit nichts. Die Anwendung bleibt gleich. Formal ändert sich jedoch die Klassifizierung des In-vitro-Diagnostikums: Jedes Produkt muss in ein risikobasiertes Klassifizierungssystems mit vier Risikoklassen eingestuft werden. Es gibt die Klassen A, B, C und D. In-vitro-Diagnostika zum patientennahen Nachweis von Sars-CoV-2 fallen in die Klasse D. In der höchsten Kategorie der In-vitro-Diagnostika finden sich Produkte mit einem hohen individuellen Risiko und einem hohen Risiko für die öffentliche Gesundheit. Die Klassen A, B und C sind wie folgt definiert:
Klasse A – Geringes individuelles Risiko und geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit
Klasse B – mittleres individuelles Risiko und/oder geringes Risiko für die öffentliche Gesundheit
Klasse C – hohes individuelles Risiko und/oder mittleres Risiko für die öffentliche Gesundheit
Durch diese Neueinstufung müssen die Benannten Stellen neue Zertifikate ausstellen. Sowohl für die Tests, die im Labor eingesetzt werden, als auch für die Tests, die direkt am Patienten (near patient tests) verwendet werden, fehlen solche Zertifikate bislang. Aktuell fallen die Produkte noch unter die Kategorie „andere Tests“. Das EU-Parlament hat die mögliche drohende Engpass-Situation erkannt und die Übergangsfrist für alle Produkte der Klasse D bis Ende Mai 2025 verlängert. Durch die Corona-Pandemie lag der Fokus auf der Entwicklung und Produktion von Corona-Schnelltests – die Beauftragung einer ausreichenden Anzahl an Benannter Stellen konnte nicht erfüllt werden.
Kein Engpass zu erwarten: Apotheken, Arztpraxen und Testzentren müssen demnach nicht mit einem Engpass rechnen. Sowohl Profi- als auch Laientests bleiben weiterhin auf dem Markt. Wie oben beschrieben ändert sich an den Produkten selbst nichts – lediglich formal werden die Tests neu einkategorisiert und benötigen daher teilweise ein neues entsprechendes Zertifikat. Voraussetzung dafür, dass ein Corona-Test mittels Übergangsfrist weiterhin vertrieben werden kann, ist eine gültige Konformitätsbewertung. Laientests, die nach der Sonderzulassung ein CE-Kennzeichnung seitens einer benannten Stelle erhalten haben, können somit weitere drei Jahre vom Hersteller vertrieben werden.
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