Schmidt: Vorerst keine Gefahr durch Amazon Pharmacy Lothar Klein, 18.11.2020 12:49 Uhr
Nach dem Einstieg von Amazon in den US-Arzneimittelmarkt sieht Abda-Präsident Friedemann Schmidt vorerst keine Gefahr für den deutschen Markt: „Ich glaube nicht, dass Amazon auf Sicht in Deutschland einsteigt.“ Dazu seien die Marktbedingungen zu unterschiedlich. Allerdings setzte Amazon mit seinen Angeboten weltweit Benchmarks und beeinflusse damit auch den deutschen Arzneimittel- und Apothekenmarkt. Der scheidende Abda-Präsident rät den noch im Markt aktiven knapp 19.000 Apotheken daher, ihre Patienten noch intensiver anzusprechen: „Wir bieten Dinge an, die Amazon niemals anbieten kann.“
Im Rahmen des jährlichen Apotheken-Klima-Index der Abda wurden 500 Apotheker auch zum Thema Botendienst und zur Einführung des E-Rezepts befragt. Dabei spielt dieses Jahr der einfache und komfortablere Arzneimittelbezug für Patienten eine deutlich größere Rolle. 36,6 Prozent der Apotheker erwarten, dass Bequemlichkeit für die Patienten künftig noch wichtiger wird – ein Anstieg von knapp 10 Prozentpunkten gegenüber der Befragung vom letzten Jahr.
Für mehr als 90 Prozent der Apotheken gehört laut Abda-Umfrage der Botendienst zum „normalen“ Serviceangebot. Allerdings haben sich im Laufe der Corona-Pandemie die Anlässe für den Botendienst deutlich verschoben: Im März spielte der Infektionsschutz mit über 50 Prozent die größte Rolle. Vor der Pandemie betrug dieser Anlassanteil nur rund 5 Prozent. Während der ersten Coronawelle im Frühjahr stieg die Anzahl der täglichen Botendienste auf 450.000 gegenüber 300.000 in normalen Zeiten.
Keinen Grund zur Besorgnis sieht der Abda-Präsident im Zuschlag der Gematik für den E-Rezept-Fachdienst an IBM und die Zur-Rose-Tochter eHealth-Tech: Dafür sehe er keine „politischen Motive“, so Schmidt. Angesichts der Expertise von IBM auf diesem Feld komme der Zuschlag „nicht ganz überraschend“. „Wir wissen nichts über die Arbeitsteilung von IBM mit eHealth-Tech“, so Schmidt. Man könne daher auch nicht unterstellen, das diese Entscheidung das „E-Rezept auf die schiefe Bahn bringt“.
Als „nachvollziehbare technische Entwicklung“ wertet der Abda-Präsident auch den Gesetzesvorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, elektronische Verordnungen künftig auch mit der elektronischen Gesundheitskarte oder dem Personalausweis in der Apotheken einlösen zu können. Dieser technische Aspekt werde faktisch nicht viel verändern. Die Marktchancen der E-Rezept-Web-App des DAV sieht Schmidt dadurch ebenfalls nicht beeinträchtigt: „Wir haben nach wie vor Superchancen, damit alle Apotheken ins Feld zu bringen.“
Laut Abda-Klima-Index schauen die Apotheker weiterhin mit Skepsis in die Zukunft ihrer Branche. Drei Viertel der Apotheken (74,0 Prozent) erwarten eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in den nächsten zwei bis drei Jahren. 2019 lag der Wert bei 79,8 Prozent. Für den Index werden seit 2016 jedes Jahr 500 Apothekeninhaber in ganz Deutschland befragt. Die diesjährige Befragung im Juli spiegelt die Situation nach der ersten Pandemiewelle und vor Verabschiedung des Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetzes (VOASG) wieder.
„Die Stimmung in den Apotheken bleibt in diesen wechselvollen Corona-Zeiten von großer Skepsis geprägt. Mit einer stärkeren Aufhellung wird wohl erst zu rechnen sein, wenn das VOASG seine positive Wirkung entfaltet, pharmazeutische Dienstleistungen etabliert sind und das E-Rezept in geordneten Bahnen eingeführt ist“, so Schmidt. „Aber schon jetzt ist absehbar, dass die Pandemie die Prioritäten und Problemperspektiven der Apotheken verändert hat. Der Fokus auf bestimmte Themen hat laut Apothekenklima-Index 2020 stark zugenommen. Dazu gehören vor allem die pharmazeutischen Freiräume in der Patientenversorgung (45,0 Prozent). Planungssicherheit (83,6 Prozent), Bürokratieabbau (72,2 Prozent) und Nachwuchsgewinnung (43,4 Prozent) bleiben aber weiterhin sehr wichtig.“