Schmidt plant Systemwechsel dpa, 01.09.2008 15:16 Uhr
Nach der Einigung über höhere Vergütungen für die niedergelassenen Ärzte sieht Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Weg frei für ein neues Honorarsystem. „Das bisherige System hat immer wieder zu Verwerfungen in den Praxen geführt“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse“. „Versicherte wurden mit Hinblick auf ein angeblich aufgebrauchtes Budget abgewiesen, Privatpatienten bei Terminen bevorzugt. Das möchte ich beenden. Jetzt entsteht ein ganz neues, planbares Honorarsystem. Ein Arzt weiß, was er für seine Leistung bekommt und das Krankheitsrisiko geht auf die Kasse über.“
Der SPD-Gesundheitsexperte Professor Dr. Karl Lauterbach kritisierte die Honorarerhöhung von 2,5 Milliarden Euro für die niedergelassenen Mediziner: „Der Umsatz pro Praxis steigt um 10 Prozent. Das Einkommen der Ärzte klettert sogar um 20 Prozent, weil ihre Praxiskosten gleich bleiben“, schrieb er in einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“. Die gesetzlich Versicherten, die nun bis zu zehn Euro höhere Krankenkassenbeiträge zahlen müssten, bekämen im Gegenzug aber keine besseren medizinischen Leistungen.
Der SPD-Politiker forderte „eine Honorarreform, die auch den Versicherten nutzt“: Gesetzlich Versicherte müssten Arztrechnungen bekommen, die die Kasse direkt bezahle, damit die Kosten endlich durchschaubar würden. Die Honorare für die Behandlung von gesetzlich und privat Versicherten müssten gleich hoch sein, damit die Zweiklassenmedizin ein Ende habe. „Und Ärzte, die auf dem Land oder in Problembezirken arbeiten, oder die besonders gute Vorsorgemedizin betreiben, müssen Zuschläge erhalten“, schrieb Lauterbach.
Im weiter schwelenden Streit unter anderem mit Bayern um die Einzelheiten einer besseren finanziellen Ausstattung der Kliniken bekräftige Ministerin Schmidt ihre Forderung nach einem Umstieg auf Investitionspauschalen. „Krankenhäuser sollten etwas ansparen oder sich am Kreditmarkt bedienen können, etwa bei der KfW. Darüber zu reden ist aber die Staatsregierung bisher nicht bereit.“ Nur Geld zu geben für eine Tariferhöhung ohne mehr Sicherheit bei den Investitionen sei ein Unding.
Nach den am Donnerstag abgeschlossenen Honorar-Verhandlungen sollen die Vergütungen für niedergelassene Ärzte im nächsten Jahr um 2,7 Milliarden Euro steigen. Die Neuregelung werde die Versicherten mit „rechnerisch 0,24 bis 0,27 Beitragssatzpunkten“ belasten, sagte Gesundheitsökonom Professor Dr. Jürgen Wasem. Für die Patienten bringe die Einigung Vorteile. „Man muss zwischen Beitragszahlern und Patienten unterscheiden. Für die Patienten ist das eine gute Sache. Die Ärzte erhalten mehr Leistungen, die sie erbringen, auch bezahlt. Das bedeutet für die Patienten bessere Chancen, dass sie das, was sie an Leistungen brauchen, erhalten.“