Schmidt: „Pessimistisch wird in die Zukunft geblickt“ Alexander Müller, 09.10.2018 12:28 Uhr
Die Apotheker haben Angst: 71 Prozent erwarten, dass sich die wirtschaftliche Lage ihrer Branche in den nächsten zwei bis drei Jahren verschlechtert. Ein Viertel (26 Prozent) geht sogar von einer deutlichen Verschlechterung aus. Das ist das Ergebnis des Apothekenklima-Index 2018, den die ABDA traditionell vor dem Deutschen Apothekertag (DAT) vorstellt.
Die ABDA hat erneut 500 Inhaber zu ihrer Erwartungshaltung befragt. Demnach ist die Stimmung pessimistischer geworden: 71 Prozent glauben an eine Verschlechterung, weitere 23 Prozent an Stillstand. Bei der gleichen Befragung im Jahr 2016 war das Verhältnis noch 51:37.
Erneut wurden die Apotheker auch zur wirtschaftlichen Entwicklung ihrer eigenen Apotheke befragt. Und diesmal gibt es auch hierbei keine große Hoffnung: Nur jeder Fünfte erwartet, dass es seiner Apotheke in zwei bis drei Jahren besser geht als heute. 46 Prozent befürchten, dass es bergab geht. Schmidt findet es einerseits normal, dass es kleines Gap zwischen der Einschätzung der Gesamtbranche zur eigenen Lage gibt. Im Grunde werde die eigene Lage etwas realistischer eingeschätzt, aber sie ist immer noch pessimistisch. „Pessimistisch wird in die Zukunft geschaut“, so Schmidt.
Ein Dauerthema ist die Personalplanung – laut ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ein ganz entscheidendes Kriterium für Zuversicht. Mehr als die Hälfte der Inhaber (56 Prozent) planen keine Einstellungen, aber vier von zehn suchen pharmazeutisches Personal. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich nicht entspannt, was angesichts der politischen Lage laut Schmidt auch nicht weiter verwundert.
Dasselbe gilt für die geplanten Entlassungen. Laut Umfrage planen 90 Prozent der Inhaber keine in der nächsten Zeit: „Weil man sich das eigentlich gar nicht leisten kann vom Arbeitsaufwand her und vor der Frage: Wenn ich jemanden entlasse, bekomme ich dann überhaupt jemand Neues?“, erklärte Schmidt. 11 Prozent der Inhaber haben einen oder mehrere PhiP, 16 Prozent PTA-Praktikanten.
Die Zahl der Studierenden und neu erteilten Approbationen ist relativ stabil, trotzdem warnt Schmidt vor einem weiter drohenden Mangel. Ursache ist vor allem, dass immer weniger Jungapotheker in Vollzeit arbeiten wollen. Es gebe „ganz klar einen Mangel an Apothekerstunden“ so Schmidt, der ausgeglichen werden müsste durch deutlich höhere Anzahl an Studierenden. Das spiegelt sich in der Erwartung an künftige Stellenausschreibungen wider: Ein Drittel glaubt, dass sich aktuell kein Apotheker bewerben würde. Bei PTA-Stellen sind es immer noch 17 Prozent mit dieser Erwartungshaltung.
Die Nachfolgersuche ist laut Schmidt die entscheidende Frage im höheren Lebensalter, und die setze Mitte 50 an. Die Erwartungen werden deutlich pessimistischer: Fast 40 Prozent der Befragten erwarten, dass sie maximal einen Interessenten finden – mit Auswirkungen auf den Kaufpreis oder die Modalitäten des Übergangs: „Wenn ich nur einen Nachfrager habe, bin ich nicht in der Situation, viel gestalten zu können“, so Schmidt. Das sei eine schwierige Situation für viele Inhaber, weil jeder seine Apotheke natürlich in gute Hände abgeben wolle.
Ein weiterer Indikator in der Umfrage sind die Investitionen. Demnach wollen zum Beispiel nur noch 5,5 Prozent in den kommenden Jahren eine Filiale gründen. Schmidt glaubt, dass hier auch ein Lerneffekt eingetreten ist. „Wir sehen, dass da etwas mehr drüber nachgedacht wird.“ Die Kollegen hätten ihre Erfahrungen gesammelt, welche Risiken und welcher Aufwand mit der Gründung einer neuen Filiale einhergehen.
Die Folge: Die Filialisierung werde unattraktiver, auch wenn der Trend derzeit abgeschwächt noch anhalte. In ihrer eigenen Apotheke planen 27 Prozent Investitionen in EDV, 25 Prozent in Räume oder technische Einrichtungen, doch immerhin 45 Prozent überhaupt keine Investitionen.
Laut Schmidt die vielleicht „härteste Zahl“ in der Umfrage: 89 Prozent sehen im Rx-Versandverbot beziehungsweise der Gleichpreisigkeit das Mittel, um die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft zu gewährleisten. Das sehe die ABDA-Spitze auch so, betonte Schmidt. Man sei daher gespannt auf das Maßnahmenpaket. Wie konkret Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sein Vorhaben beschreiben wird, konnte Schmidt am Vortag auch nicht sagen. Er habe den Minister so verstanden, dass er vor allem Vorschläge einsammeln will: „Ich würde mich auch sehr freuen, wenn wir mit ihm diskutieren können.“
Bei der Mitgliederversammlung im Dezember wollen die Apotheker dann abstimmen – natürlich nicht über den Weg des Gesetzgebers, betonte Schmidt, das könne schließlich nur das Parlament. Es gehe eher darum, welchen Weg man mitträgt. Die ABDA habe keine wasserdichte Lösung als Alternative zum Rx-Versandverbot gefunden. „Wir sind immer bereit gewesen, über alternative Ideen zu sprechen.“ Daneben hätte die ABDA eine ganze Menge anderer Probleme, betreffend Wirtschaftlichkeit der Apotheken und professionelle Weiterentwicklung des Berufes.
Die größten Ärgernisse des Berufsstands sind relativ unverändert der bürokratische Aufwand (88 Prozent), Retaxationen (61 Prozent) und Lieferengpässe (58 Prozent), wobei bei letzteren ein deutlicher Anstieg gegenüber der Umfrage aus dem Jahr 2016 (36 Prozent) zu verzeichnen ist. Die größte Motivation ziehen die Kollegen aus der Beratung und dem persönlichen Gespräch (78 Prozent) und die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit (66 Prozent) sowie die Zusammenarbeit im Team (53 Prozent).
An der Umfrage haben im Juli 500 Apothekeninhaber teilgenommen. Die Mehrheit ist älter als 50 Jahre und hat eine bis zwei Apotheken. Bei Lage und Umsatz war die Grundgesamtheit recht repräsentativ.