Plan B: Schmidt legt sich nicht fest Lothar Klein, 20.12.2018 11:48 Uhr
In seiner Weihnachtsbotschaft an alle Apotheker in Deutschland hat ABDA-Präsident Friedemann Schmidt angesichts der kontroversen Diskussion über die Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Reform des Apothekenmarktes an die Geschlossenheit des Berufsstandes appelliert. Als problematischsten Punkt in Spahns Plan B sieht Schmidt wie viele die Verankerung von Rx-Boni für ausländische Versandapotheken im Sozialrecht. Nur vorsichtig beurteilt der ABDA-Präsident allerdings die Chancen, noch Änderungen an Spahns Vorschlägen durchzusetzen und vermeidet eine klare Positionierung zu Spahns Vorschlägen.
„Die Stärke unseres Berufsstandes lag immer in seiner Geschlossenheit, und ich bin zuversichtlich, dass wir diese Geschlossenheit auch in dieser wichtigen Phase erreichen. Wir brauchen sie, denn wir stehen nicht am Ende eines Prozesses, sondern am Anfang einer Entwicklung, bei der es darum geht, die Zukunft des Berufsstandes aktiv zu gestalten“, schreibt Schmidt zum Abschluss seines Weihnachtsbriefes. Neben positiven Ansätzen enthielten Spahns Vorschläge auch wesentliche problematische Punkte und Risiken.
Ganz besonders die geplante Akzeptanz für regulierte Boni an Versicherte beim Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem europäischen Ausland müssten als „partielle Abkehr des Gesetzgebers vom Prinzip einheitlicher Abgabepreise verstanden werden“. Dieser Punkt stehe „im eklatanten Widerspruch zu unserem zentralen Ziel“. Der Unmut und Protest, der die Berufsöffentlichkeit in den letzten Tagen dazu erreicht habe, sei deshalb nur allzu verständlich. Dazu komme die Frage, „ob und wie die geplanten Regeln zur Einhegung des Versandhandels im Rx-Bereich zunächst rechtssicher gemacht und anschließend in der Praxis gegebenenfalls wirksam durchgesetzt werden könnten.
Schmidt: „Angesichts dieser schwierigen Gemengelage müssen die Eckpunkte von uns intensiv geprüft und bewertet sowie anschließend von der Politik gegebenenfalls konkretisiert und erweitert werden, wenn sie für uns zustimmungsfähig werden sollen.“ Das klingt nicht besonders optimistisch hinsichtlich der Chancen auf Korrekturen. „Es sei ein Gebot politischer Daseinsvorsorge, zu analysieren, welche Optionen sie für den Berufsstand beinhalten. Wer seine Optionen nicht kennt, kann keine vernünftige Entscheidung treffen. Und die Entscheidung in dieser wichtigen Sache muss vernünftig sein und auf einem breiten demokratischen Fundament stehen“, so der ABDA-Präsident weiter.
Deswegen werde zunächst in den Landesorganisationen der Apothekerschaft bis Mitte Januar ausführlich diskutiert: „Viele von Ihnen werden sich in diese Diskussion einbringen“, so Schmidt. Die Ergebnisse dieser Diskussion gingen dann in die weitere Mitgliederversammlung der ABDA am 17. Januar 2019 ein, „auf der wir dann eine gemeinsame Position finden müssen“.
In seiner Weihnachtsbotschaft erinnert Schmidt, an die zurückliegende Diskussion über das EuGH-urteil vom 19. Oktober 2016: „Über zwei Jahre haben wir uns gemeinsam für die Wiederherstellung einheitlicher Abgabepreise verschreibungspflichtiger Arzneimittel eingesetzt, die durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Oktober 2016 ins Wanken geraten sind.“ Die ABDA habe dies in Politik und Öffentlichkeit auf Bundesebene getan, die Kammern und Verbände hätten ihr Gewicht auf Landesebene in die Waagschale geworfen, und „viele Apothekerinnen, Apotheker und ihre Teams haben sich vor Ort für dieses Ziel mit unterschiedlichsten, teils sehr kreativen Initiativen eingesetzt“.
Ohne Erfolg: „Das Jahr 2018 neigt sich dem Ende, und wir sehen das Ziel einheitlicher Abgabepreise nicht verwirklicht. Dass dies Unsicherheit, Sorge und auch Frustration auslöst, ist nicht verwunderlich“, so der ABDA-Präsident. In den vergangenen Wochen hätten ihn immer wieder Anrufe, Briefe und E-Mails von Kollegen erreicht, die nicht nur ihrem Kummer Luft gemacht hätten, sondern oft „in guter apothekerlicher Weise“ Ratschläge gegeben hätten, wie Politik und Öffentlichkeit zu überzeugen und der RX-Versand sofort zu beenden wären. Die Vorschläge reichten laut Schmidt von qualitätssichernden Maßnahmen bei der Arzneimittelzustellung über die Modifizierung der Liste herkunftssicherer Versandländer und den Verweis auf die Buchpreisbindung bis hin zu Argumentationen, die die unbestrittene Unverzichtbarkeit der Präsenzapotheke in der Akutversorgung und im Nacht- und Notdienst beträfen.
Tatsächlich habe die ABDA all diese wesentlichen Argumente in den letzten beiden Jahren kontinuierlich in Politik und Medien transportiert, „auf offener Bühne wie auch hinter den Kulissen“. Trotzdem habe sich die Politik dieser Sicht nicht angeschlossen. Schmidt: „Als Naturwissenschaftler vertrauen wir auf die Kraft schlüssiger Daten und Fakten. Man vergisst dabei aber gelegentlich, dass Politik keine Wissenschaft ist, sondern ein Wettstreit von Meinungen, der oft nach anderen Prinzipien funktioniert: Machtfragen und Zeitgeist, ideologische Grundüberzeugungen und die Opportunität bestimmter Lösungen im Hinblick auf das Wählerverhalten bestimmen die Bildung von Mehrheiten.“
Als Beispiel dafür führt Schmidt die von der ABDA beauftragten drei juristische Gutachten zur verfassungs- und europarechtlichen Machbarkeit eines RX-Versandverbotes an: „Doch auch schlüssige Gutachten ziehen längst nicht zwingend entsprechende Gesetzgebungsaktivitäten nach sich.“ Das zeige vor allem eines: „Wir haben im Kern keine juristische Auseinandersetzung über die rechtlich mögliche, sondern eine politische Auseinandersetzung über die mehrheitlich gewünschte Sicherung und Ausgestaltung der zukünftigen Arzneimittelversorgung in Deutschland.“
Für die ABDA bliebe ein Verbot des Versandes verschreibungspflichtiger Arzneimittel das Mittel der Wahl zur Absicherung einheitlicher Abgabepreise. Weite Teile der Gesellschaft aber betrachteten ein Rx-Versandverbot als „unzeitgemäß“. Im Bundestag treffe es auf die Skepsis von Grünen, FDP und SPD, aber auch wesentlichen Teilen der CDU und Protagonisten der CSU. Dass ein Rx-Versandverbot keine rückhaltlose Unterstützung erhalte, liege im Übrigen gar nicht daran, dass Politik und Öffentlichkeit den Wert und die Vorteile der Apotheke vor Ort nicht erkannt und verstanden hätten – im Gegenteil. In den politischen Gesprächen und der medialen Rückkopplung erführen Apotheker mehr Respekt und fachliche Wertschätzung denn je.
In der Bevölkerung würden Apotheker heute weit mehr als früher in ihrem heilberuflichen Profil wahrgenommen und genößen mit die höchsten Vertrauenswerte aller Berufsgruppen. Ironischerweise trage gerade diese „hohe Meinung“ erheblich dazu bei, dass Politik und Gesellschaft die ABDA-Argumentation in Sachen Gleichpreisigkeit und unserer Folgenabschätzung hinsichtlich des Versandhandels in Teilen nicht folgten. „Man traut uns viel zu – sogar, dass wir im Preiswettbewerb mit dem Versandhandel bestehen könnten“, das hatte Schmidt auch bereits auf dem Deutschen Apothekertag so formuliert.
Vor diesem Hintergrund habe Spahn seine Eckpunkte vorgestellt, „wie das Arzneimittelversorgungssystem in Zukunft gestaltet, der Arzneimittelversandhandel als Ausnahmeversorgungsweg erhalten, die Präsenzapotheke gleichzeitig abgesichert und die Rolle des Apothekers in der Gesundheitsversorgung aufgewertet werden könnte“.
Schmidt: „Sie enthalten positive Ansätze und Chancen wie die Stützung des Nacht- und Notdienstfonds, die bessere Vergütung der Versorgung mit Betäubungsmitteln und zusätzliche Mittel für die zukünftige verpflichtende Honorierung von pharmazeutischen Dienstleistungen, mit denen dringender Versorgungsbedarf der Bevölkerung im Bereich Arzneimitteltherapiesicherheit und Prävention durch die niederschwelligen Angebote der Apotheken gedeckt werden kann. Die Eckpunkte gehen von der Zielvorstellung aus, dass die Versorgung durch die Präsenzapotheke der Regelfall bleiben soll.“