Der Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit in Berlin ist mit 8000 Teilnehmern seit Jahren der Treffpunkt Nummer 1 der deutschen Gesundheitsbranche. Wer sich dort als Referent oder Diskutant in Szene setzen will, muss Tief in die Tasche greifen. Vier- bis fünfstellige Beträge müssen dem Vernehmen nach beim Veranstalter abgeliefert werden. So auch die ABDA, die ihren Präsidenten Friedemann Schmidt in die Diskussion um die Folgen eines Jahres Gesundheitspolitik à la Jens Spahn schickte. Die Bühne für den ABDA-Präsidenten war bereitet und bezahlt, doch Schmidt verhielt sich seltsam zurückhaltend.
Gleich zu Beginn gab Moderator Helmut Laschet von der Ärztezeitung den Diskutanten freundlich die Gelegenheit, ihre Statements zu Spahns erstem Jahr abzugeben. Schmidt erhielt als erster das Wort: Weil Pflege und ambulante Versorgung Vorrang gehabt hätten, sei Spahn mit dem Referentenentwurf zum Apothekenstärkungsgesetz „spät gestartet“, urteilte der ABDA-Präsident. Dennoch stelle Spahn die ABDA „vor gewaltige Herausforderungen“. Das gelte sowohl für sein gesetzgeberisches Tempo als auch für die Anforderung an die Beteiligung der ABDA. „Das ist neu“, sagte der ABDA-Präsident.
Zur Überraschung anwesender Vertreter einer ABDA-Mitgliedsorganisation ging Schmidt dann aber nicht auf die Wendungen und Konflikte in der aktuellen politischen Diskussion über das Apothekenstärkungsgesetz ein. Dass der Blutdruck im Apothekenlager bereits eine gesundheitsgefährdende Höhe erreicht hat, erfuhren die Zuhören nicht. Stattdessen war ein zufriedener ABDA-Präsident zu beobachten, der glaubt, mit Spahn „erhebliche Fortschritte“ in eine gute Apothekenzukunft machen zu können. In vielen Punkten lägen ABDA und Spahn „nah beieinander“, sagte Schmidt. Dass die ABDA Spahns Vorschlag in einem Kernpunkt widerspricht, blieb unerwähnt. Nach circa drei Minuten war Schmidts kraftloser Auftritt beendet.
Den überwiegenden Rest der Diskussion verfolgte der ABDA-Präsident weitgehend passiv: Schmidt nestelte mehrfach an seiner Krawatte, prüfte deren ordnungsgemäßen Sitz, zog die Stirn kraus, blinzelte ins Licht der Scheinwerfer und rieb sich die Augen. Nur an der laufenden Debatte beteiligte sich Schmidt nicht. Zugegeben: Ärzte- und Klinikvertreter sowie Funktionäre der Pflegebranche hatten sich in eine Diskussion über den Zustand der Pflege verheddert. Dabei spielen Apotheker eben keine Rolle. Aber selbst als sich die Diskussion dem Thema Teilzeitarbeit in Berufen mit hohem Frauenanteil zuwandte, schaltete sich der ABDA-Präsident nicht ins Gespräch ein. Erkennbar unbeteiligt ließ Schmidt das Gespräch an sich vorbeiziehen.
Erst als Moderator Laschet kurz vor Schluss der eineinhalbstündigen Diskussion Schmidt auf das Thema Arzneimittelengpässe ansprach, erwachte dieser aus seiner Lethargie. Das seinen „Verhältnisse wie in der DDR, die kenne ich aus meinen ersten Berufsjahren“, wusste Schmidt zu berichten: „Das ist eine verrückte Situation.“ Die bisher ergriffenen Maßnahmen reichten nicht aus. Man könne die Arzneimittelproduktion in Europa fördern. Allerdings sei Deutschland wegen der Rabattverträge zum „Billigpreisland“ geworden. Arzneimittelexporte führten deshalb zu massiven Engpässen. Man müsse daher über die Preisgestaltung in Deutschland nachdenken und fragen, ob die Anreize richtig gesetzt seien.
Den Vorschlag von Ärztekammerpräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery, Arzneimittelvorräte anzulegen, wies der ABDA-Präsident zurück: „Wir reden doch nicht über den Kriegsfall“. „Ich will noch nicht aufgeben“, sagte Schmidt. Seine Körpersprache hinterließ einen anderen Eindruck.
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