Schmidt, Kiefer, Becker – ABDA vor dem Umbruch Lothar Klein, 17.02.2020 12:14 Uhr
Nach wochenlanger krankheitsbedingter Abwesenheit meldet sich am Mittwoch Dr. Andreas Kiefer als Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) zurück. Laut Tagesordnung zur Vorstandssitzung wird Kiefer gemeinsam mit ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz den politischen Lagebericht vortragen. Kiefer hatte sich zuletzt bei mehreren Terminen wie Pharmacon in Schladming vertreten lassen. In der ABDA wird erwartet, dass er in Kürze eine Erklärung zur Fortsetzung seiner Arbeit als BAK-Präsident abgibt. Derweil drängt die Zeit, einen Nachfolger für ABDA-Präsident Friedemann Schmidt zu finden.
Auf der Tagesordnung zur BAK-Vorstandssitzung stehen neben dem politischen Lagebericht ein Vortrag von Dr. Christiane Eckert-Lill zu den Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen und zu pharmazeutischen Dienstleistungen durch BAK-Vize Thomas Benkert. Aber das Hauptaugenmerk dürfte Kiefer gelten. In den vergangenen Wochen hatten wegen der anhaltenden Gerüchte über seinen Gesundheitszustand bereits Spekulationen über die personelle Neubesetzung der ABDA-Führung die Runde gemacht.
ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hatte im Dezember bei der Mitgliederversammlung angekündigt, nicht mehr für eine dritte Amtszeit zu kandidieren – soviel steht fest. Bis zum Jahresende muss also ein Nachfolger gefunden werden. Da Kiefer intern als ein aussichtsreicher Kandidat für den ABDA-Spitzenposten gehandelt wurde, warf seine Erkrankung neue Fragen nach der Nachfolgelösung auf.
So oder so, der nächste ABDA-Präsident steht vor gewaltigen Aufgaben. Nach der bislang ergebnislosen Suche nach einer politischen Antwort auf das EuGH-Urteil vom Oktober 2016 steht die ABDA vor einem politischen Scherbenhaufen. Selbst wohlmeinende Gesundheitspolitiker in der CDU/CSU-Bundestagfraktion zeigen sich über das politische Zaudern und Taktieren der ABDA verärgert. Dabei spielt nicht nur der Zick-Zack-Kurs auf dem letzten Deutschen Apothekertag zum Thema Rx-Versandverbot (Rx-VV) eine Rolle.
Verärgert ist man in der Politik, dass die ABDA beim Thema Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen nicht vorankommt. Insbesondere das knallharte Nein der Landesapothekerkammer Brandenburg hat Kopfschütteln ausgelöst. Beim 24. Eppendorfer Dialog zur Gesundheitspolitik in Hamburg platze CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich der Kragen: „Der Regel-Apotheker lebt in der alten Welt“, kritisierte er. Hennrich wünscht sich eine zukunftsgewandtere Apothekerschaft: „Die sitzen in ihren Schützengräben und verteidigen ihre Positionen.“
Hennrich warnte die ABDA davor, bei den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen das Medikationsmanagement ins Zentrum zu stellen: „Da bin ich sehr skeptisch.“ Der Einsatz künstlicher Intelligenz könne hier die Apotheker ganz rasch überflüssig machen. Stattdessen riet Hennrich, das Impfen in Apotheken anzunehmen: „Das können Plattformen nicht.“ Aber hier sagten viele Apotheker: „Das wollen wir nicht.“ Hennrich kritisierte, dass es aktuell sehr schwierig sei, mit der Apothekerschaft über solche Themen ins Gespräch zu kommen.
Aufgabe des neuen ABDA-Präsidenten wird es daher sein, das Verhältnis zur Politik neu aufzustellen – nicht nur zu Hennrich. In der aktuellen politischen Lage ist nicht absehbar, wie lange Jens Spahn noch Bundesgesundheitsminsiter bleiben wird. Klar ist aber, dass Spahn künftig eine noch wichtigere Rolle in der Bundespolitik spielen wird. Ein gutes Verhältnis kann da nicht schaden. Daher werden ABDA-intern bereits Kriterien für den neuen Präsidenten diskutiert: Er müsse sich auf eine von Union und Grünen gebildete neue Bundesregierung einstellen können. Gut wäre, auch an der ABDA-Spitze einen Generationswechsel deutlich zu machen. Auf keinen Fall dürfe ein Rx-VV-Hardliner den Spitzenposten erobern, heißt es.
Mehr noch, der neue ABDA-Präsident muss auch im Hauptamt einen Generationenwechsel einleiten: Auch die Amtszeiten von ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, Professor Dr. Martin Schulz, Geschäftsführer Arzneimittel, Dr. Christiane Eckert-Lill, Geschäftsführerin Pharmazie, und Lutz Tisch, Geschäftsführer Recht, laufen mittelfristig aus. Die Suche nach einer neuen hauptamtlichen Mannschaft bietet für eine neuen ABDA-Präsidenten Chancen, aber auch Risiken.
Und dann wäre da noch der richtige Zeitpunkt für den Wechsel an der ABDA-Spitze: Turnusgemäß steht die Neuwahl des ABDA-Präsidenten im Dezember an. Beim Wechsel von Heinz-Günter Wolf zu Friedemann Schmidt stand Schmidt bereits lange Zeit als Nachfolger fest. Das ist jetzt anders. Beim jetzigen Wechsel zum Jahresende bleibt dem Nachfolger daher nur kurze Zeit, sich mit Blick auf die turnusmäßige Bundestagswahl im Herbst 2021 politisch zu positionieren und politisches Profil zu gewinnen.
Noch hat Kiefer nicht erklärt, ob er seine Aufgaben fortsetzen kann und ob er für den Präsidentenposten kandidieren will. Als weitere Kandidaten werden ABDA-intern Benkert und Hessens Kammerpräsidentin Ursula Funke gehandelt. Andere sehen in Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening eine geeignete ABDA-Präsidentin. Nach der jahrzehntelangen Männerherrschaft im von Frauen dominierten Apothekerberuf halten viele die Zeit für eine Frau an der ABDA-Spitzen für gekommen.
Gegen Funke und Benkert spricht allerdings deren klare Positionierung pro Rx-VV. Funkes Antrag beim letzten DAT habe mit dazu beigetragen, dass Verhältnis zu Spahn nachhaltig zu stören, heißt es. Gesucht wird daher ein Kompromiss. Einige können sich neben Overwiening auch Schleswig-Holsteins Kammerpräsident Dr. Kai Christiansen an der ABDA-Spitze vorstellen. Christiansen könne einen Generationswechsel personifizieren. Außerdem gilt er politisch als weitgehend „unbeschriebenes Blatt“. Andere verweisen hingegen auf seine geringe bundespolitische Erfahrung und Vernetzung.
Wie dem auch sei – die ABDA wird sich in Kürze mit ihren Personalfragen beschäftigen müssen. Ob Fritz Becker ein weiteres Mal als DAV-Vorsitzender kandidieren will, ist ebenfalls unbekannt. Möglicherweise wird also noch ein weiterer Kandidat gebraucht. Das ABDA-Personalkarussell wird in den kommenden Wochen Fahrt aufnehmen.