Alexa, Du kannst Apotheker nicht ersetzen Lothar Klein, 13.09.2017 16:39 Uhr
Von der neuen Bundesregierung erwartet ABDA-Präsident Friedemann Schmidt den „unverzüglichen Beginn eines Gesetzgebungsverfahrens zur Sicherung des einheitlichen Abgabepreises für Arzneimittel“. Bis heute gebe es keine wirksame Alternative zum Rx-Versandhandesverbot, sagte Schmidt zur Eröffnung des Deutschen Apothekertages (DAT) in Düsseldorf: „Deshalb muss dieser Entwurf umgehend in das neue Parlament eingebracht werden.“
In den neuen Koalitionsvertrag müssten zudem konkrete Aussagen zur Unterstützung der wohnortnahen organisierten Arzneimittelversorgung durch freiberuflich geführte Apotheken enthalten sein. „Wenn die Politik berechenbare und nachhaltige Rahmenbedingungen garantiert, dann garantieren wir unsererseits eine sichere, moderne und menschliche Arzneimittelversorgung zu vernünftigen Bedingungen für alle Menschen überall in Deutschland“, so Schmidt. Chatsbots, Siri, Alexa und Avatare könnten den Patienten keine Sicherheit geben und das Gefühl vermitteln, mit ihren Sorgen nicht allein gelassen zu werden: „Das können nur Menschen, das können nur wir.“
Die Gegner des Rx-Versandverbotes kritisierte Schmidt als „scheinheilig, kurzsichtig und überdies in sich widersprüchlich“. Die Unterstützung durch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sei hingegen „politisch vorbildhaft“. Besser wäre es gewesen, das Rx-Versandverbot noch vor der Bundestagswahl zu verabschieden. „Das dies nicht gelungen ist, hat uns verärgert, aber keineswegs entmutigt“, so der ABDA-Präsident weiter. Gerade weil Ärzte die ländlichen Regionen verließen, sei es umso dringlicher, die Apotheken dort als vielleicht einzigen wohnortnahen Zugang zum Gesundheitswesen und Kontaktstelle zur ärztlichen Versorgung unbedingt zu erhalten.
Der EuGH schätze offenbar die Bedeutung der Warenverkehrsfreiheit höher als die Apothekenpflicht, das Fremd- und Mehrbesitzverbot, den einheitlichen Abgabepreis und das funktionierende System. Das Urteil sei der „Triumph einer trivial-ökonomischen“ Sichtweise – laut Schmidt eine eines hohen Gerichts „eigentlich unwürdige Betrachtungsweise“. Wenn das EuGH-Urteil Bestand habe, öffne es mittelfristig die Tür für die Technisierung der Arzneimittelversorgung.
Dann könne sich das Verhältnis bald umkehren. Heute bestelle einer von 100 Patienten seine Rx-Arzneimittel bei Versandapotheken. Wenn dies demnächst 10 von 100 Patienten wie schon bei OTC-Arzneimitteln täten, steige der soziale und ökonomische Druck. Damit gehe langfristig die Bedeutung der Apotheken für die nachbarschaftliche Versorgung und Verantwortung verloren. Denn nur im direkten Kontakt zwischen Apotheker und Patienten entstehe die Verantwortung für die Arzneimittelversorgung. Schmidt: „Nur im persönlichen Gespräch können Apotheker die fachliche Einschätzung vornehmen.“
Wer als Versandapotheke glaube, er könne große Teile Deutschlands mit Arzneimitteln versorgen, der versorge am Ende nicht die Patienten, sondern beliefere sie allenfalls mit Arzneimitteln. Das fachlich unverzichtbare Prinzip, dass jeder Arzneimittelabgabe ein persönlicher Kontakt zwischen Patient und Heilberufler vorausgehen müsse, werde so zu einer hohlen Phrase. Digitalisierung sei kein Wert an sich, kritisierte Schmidt.
Daher sei das Argument, der Versandhandel könne im Zeitalter der Digitalisierung nicht verboten werden, nicht nachvollziehbar. Digitalisierung sei inzwischen zum Kampfbegriff geworden. Das Geschäftsmodell von DocMorris gehe mit der Zeit, habe beispielsweise Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) beim Besuch der niederländischen Versandapotheke gesagt, so Schmidt. Diesen Satz müsse man korrigieren: DocMorris gehe mit der Mode. Aber das Geschäftsmodell einer wirklichen Apotheke gehe nicht mit der Mode. „Aber es ist dennoch auf der Höhe der Zeit“, so Schmidt.
Positiv bewertete der ABDA-Präsident, dass „eine ganze Reihe unserer berufspolitischen Forderungen aus den letzten vier Jahren Realität geworden sind“. Mit der Politik habe die ABDA inzwischen ein gutes und stabiles Vertrauensverhältnis aufgebaut, „welches von Zuverlässigkeit und gegenseitiger Wertschätzung geprägt ist“. Auch die gesellschaftliche Wahrnehmung der Apotheker habe sich zum Positiven verändert. Die Wertschätzung der fachlichen Kompetenzen der Apotheker sei in der Politik, in vielen gesellschaftlichen Gruppen und in den Medien gestiegen.
Als Beleg nannte Schmidt die auf eine stabil hohe Zahl gestiegene Anzahl der Studienbewerber für Pharmazie. „Unser Beruf ist gesellschaftlich tief verwurzelt und genießt hohes Ansehen“, so der ABDA-Präsident.
Das Beispiel des Medikationsplans zeige zudem, dass es ohne Apotheker nicht zum Erfolg geführt werden könne, griff Schmidt ein anderes Thema auf: „Ein wirklich praktikabler Medikationsplan wird nur mit den Apothekern kommen, oder es wird gar nicht kommen.“ Mit ARMIN böten die Apotheker zudem ein extrem erfolgreiches Projekt zur Arzneimitteltherapiesicherheit an. Dies sei ein Modell für den Anspruch der Apotheker auf einen Rechtsanspruch auf Umsetzung von Dienstleistungsverträgen mit den Krankenkassen.
Aber eines müsse dabei klar sein: „Auch wir werden die Erstellung, Aktualisierung eines elektronischen Medikationsplans nicht kostenlos machen können“, so Schmidt. Die angemessene Vergütung aller Leistungen rund um den Medikationsplan könne ein guter Einstieg sein in die Neuordnung der apothekerlichen Vergütung.
Wie DAV-Chef Fritz Becker wies Schmidt auf die wachsenden Lieferprobleme bei Arzneimitteln hin. Der ABDA-Präsident sprach sich dafür aus, kurzfristig eine erweiterte Meldepflicht mit dem Ziel einer „Art Notstandsbewirtschaftung“ einzuführen. Auch Schmidt appellierte an die Apotheker, auf den Export von Arzneimitteln aus wirtschaftlichen Gründen zu verzichten. Solches Verhalten sei „unkollegial“ und gefährde die Glaubwürdigkeit der Apotheker: „Ich denke, wir sollten damit aufhören, uns an derartigen Geschäften zu beteiligen.“