Versorgungswerk: Rechnungszins stürzt ab Lothar Klein, 29.04.2016 09:57 Uhr
Angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase stutzt die Apothekerversorgung Schleswig-Holstein ihre Rentenprognose deutlich: Der Rechnungzinssatz soll von derzeit 3,65 Prozent auf 2 Prozent sinken – bezogen auf die künftigen Beiträge aller Mitglieder. Für einen 25-jährigen Neueinsteiger sinkt die Anwartschaft um ein sattes Drittel: Statt 4010 Euro erhält er in 40 Jahren nur noch rund 2700 Euro. Für ältere Versicherte fällt der Abschlag geringer aus.
Der Kammerversammlung liegt ein entsprechender Vorschlag ihres Versorgungswerkes zur ersten Beratung vor. Entschieden werden soll über die Absenkung des Rechnungszinssatzes erst am 9. November; doch schon das Treffen im Mai soll „bereits genutzt werden, um die bisherigen Argumentationslinien zu besprechen“, heißt es in einer Vorlage zur Sitzung.
Geprüft hat das Versorgungswerk mehrere Varianten zur Absenkung des Rechnungszinssatzes. Verwaltungs- und Aufsichtsausschuss der Apothekerversorgung hätten unter Einbeziehung eines Versicherungsmathematikers am Ende die Entscheidung getroffen, „den bisherigen Weg nicht weiter zu beschreiten“.
Daher sei beschlossen worden, der Kammerversammlung vorzuschlagen, „den Rechnungszinssatz auf 2 Prozent abzusenken und zwar bezogen auf die künftigen Beiträge aller Mitglieder“. Aktuelle Mitglieder der Apothekerversorgung sollen künftig zwei Rechnungszinssätze erhalten: Für bereits gezahlte Beträge bleibt es beim Satz von 3,65 Prozent. Für Beiträge nach der Beschlussfassung soll dann der neue Rechnungszinssatz gelten.
„Das führt verständlicherweise zu unmittelbaren Einschnitten in der Anwartschaft“, heißt es in der Vorlage. Laut Dr. Karl Stefan Zerres, Geschäftsführer der Apothekerversorgung Schleswig-Holstein, sinkt dadurch die Rentenprognose auf Basis der allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage von 3308 Euro für einen 25-jährigen Neuzugang von derzeit 4010 Euro um ein Drittel auf nur noch 2700 Euro.
Ältere Versicherte müssen mit entsprechend geringeren Abschlägen rechnen. Jahrgangsbezogene Prognosen konnte Zerres dazu nicht angeben. Überschlagsmäßig gerechnet dürfte die Rentenprognose für einen 50-jährigen, langjährigen Versicherten um gut 12 Prozent oder 480 Euro im Monat sinken.
Dauerhaft niedrige Zinsen „setzen den Rechnungszins unter Druck“, heißt es als Begründung in der Vorlage. Daher sei der Rechnungszins bereits vor einigen Jahren von 4 auf 3,65 Prozent gesenkt worden. Damit könne man aber nicht länger auf „den dramatischen Zinsverfall am Kapitalmarkt angemessen reagieren“. Der Verwaltung- und Aufsichtsausschuss der Apothekerversorgung hätten „sich ihre Entscheidung nicht leicht gemacht“.
Die Absenkung des Rechnungszinssatzes für künftige Beiträge sorge für „hohe Transparenz“ verbunden mit dem „ganz deutlichen Signal“, dass Zinsprobleme am Kapitalmarkt „unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe der Anwartschaften haben“. Dieser Weg biete einen „gerechten Bestandsschutz gleichmäßig über alle Mitglieder hinweg“. Ältere Mitglieder erhielten für ihre bereits eingezahlten Beiträge einen Bestandsschutz, weil sie „eben schon länger eingezahlt“ hätten.
Bewusst sind sich die Verantwortlichen beim Versorgungswerk über die Wirkung der Absenkung. „Die erste Mitgliederinformation nach der Neuberechnung wird zunächst für eine Verunsicherung sorgen. Dies gilt insbesondere für die jüngeren Mitglieder“, heißt es in der Vorlage.
Für die Höhe der Absenkung spricht aus Sicht der Apothekerversorgung, dass auf absehbare Zeit keine weiteren Zinssenkungen erfolgen müssen: „Der Schritt darf deshalb nicht zu klein sein. Der Rechnungszinssatz soll wieder eine grundsätzlich verlässliche und stabile Größe werden.“
Geprüft wurde neben dem jetzigen Vorschlag auch die Absenkung des Rechnungszinssatzes auf den gesamten Bestand. Diese Idee wurde allerdings verworfen. Profitiert davon hätten jüngere Mitglieder mit einer weniger starken Absenkung der Anwartschaften. Anderseits hätten die Hochrechnungen der Mitglieder von Jahr zu Jahr gesenkt werden müssen. „Das schürt Ängste und kann dazu führen, dass das System der berufsständischen Versorgung in Frage gestellt wird“, heißt es in der Vorlage.
Außerdem könne man nicht vorhersagen, „wohin die Reise geht“. Die Absenkung des Rechnungszinssatzes nur auf künftige Beiträge erhöhe die Flexibilität, auf Veränderungen am Kapitalmarkt wie beispielsweise steigende Zinsen zu reagieren. Verworfen wurde auch eine schrittweise Absenkung des Rechnungszinssatzes für den gesamten Bestand. Damit „geht wichtige Zeit verloren“.
Die Apothekerversorgung zählt 2751 Mitglieder, davon 551 Selbstständige und 2200 Angestellte. Knapp 2000 davon sind Frauen. Insgesamt verwaltet das Versorgungswerk 600 Millionen Euro Kapitalanlagen. 75 Prozent sind in Rentenpapieren angelegt, 7 Prozent in Immobilien, etwas über 3 Prozent liegen als liquide Mittel auf dem Konto und 15 Prozent sind als Sondervermögen angelegt, beispielsweise in Aktien. Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2014.
Bereits im Jahr 2009 hatte das Versorgungswerk mit einem „Generationenfaktor“ auf die demografische Entwicklung reagiert. Ab den Jahrgängen 1950 wird die Rentenauszahlung jedes Jahr um 0,25 Prozentpunkte reduziert. Der Generationenfaktor führt damit zu einer vom Geburtsjahrgang abhängigen, moderaten Absenkung der Anwartschaft. Eine monatliche Rentenhöhe von 2000 Euro verringert für ein 1974 geborenes Mitglied exemplarisch auf 1875 Euro.
Die Versorgungswerke der Apotheker haben bislang unterschiedlich auf die Niedrigzinsphase reagiert. Das Versorgungswerk Sachsen/Thüringen hält vorerst am Rechnungszinssatz von 4 Prozent fest. Die Versorgungswerke Niedersachsen und Berlin stehen nach eigenen Angaben trotz Niedrigzinsphase gut da und halten ihren Rechnungszins ebenfalls bei 4 Prozent. Laut Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz war das Versorgungswerk 2014 „ausgesprochen erfolgreich“. Der Überschuss von 22 Millionen Euro wurde als Sicherheitsreserve in die Rücklagen eingestellt.
Auch in Berlin konnte der Vorsitzende des Versorgungswerks, Dr. Manfred Zindler, bei der Kammerversammlung gute Nachrichten überbringen: Alle Anwartschaften könnten aus den laufenden Zinsgewinnen finanziert werden, sodass der Kapitalstock nicht angegriffen werden müsse. Das Versorgungswerk sei „sehr lebendig“, 2014 seien 369 Mitglieder neu hinzugekommen, so Zindler.
In den vergangenen Jahren hatten allerdings mehrere Versorgungswerke den Rechnungszins ebenso für alle neuen Beiträge gekürzt, darunter Nordrhein, Westfalen-Lippe und Hessen. Bayern hatte auf ein offenes Deckungsplanverfahren umgestellt, um im Haushalt flexibler agieren zu können.
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