Nutzenbewertung

Schlagabtausch zur Preisverhandlung Janina Rauers, 01.06.2012 18:07 Uhr

Berlin - 

Gefährliche Schwächen oder erfolgreiches System? Fünf Monate nach Einführung von Nutzenbewertung und Preisverhandlungen hängt die Bewertung stark von der Perspektive ab. Während die Krankenkassen den vereinbarten Preis für Brilique (Ticagrelor) als Anlass nehmen, um das Verfahren zu feiern, ist die Reaktion des Herstellers verhaltener. Bei anderen Unternehmen und Pharmaverbänden hält man sich bei der Kritik kaum zurück.

 

GlaxoSmithKline (GSK), das sein Antiepileptikum Trobalt (Retigabin) nach enttäuschender Bewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) lieber vom Markt nimmt als über den Preis zu verhandeln, stellt die Systemfrage: Die „reale Gefahr“ müsse nun thematisiert werden, dass „deutsche Patienten vom Zugang zu innovativen Therapien – die für Bürger anderer Länder in Europa und weltweit verfügbar sind – ausgeschlossen werden“, sagt Bettina Brennecke, die sich bei GSK unter anderem um die Lobbyarbeit kümmert. Am Beispiel Trobalt hätten sich die Schwächen und Webfehler des Systems gezeigt.

Selbst bei AstraZeneca ist von Jubel wenig zu spüren, obwohl der Hersteller mit einem „beträchtlichen“ Zusatznutzen das bislang beste Ergebnis eingefahren hat. Vor allem bei der Wahl der Vergleichstherapie gebe es Verbesserungspotential, so der Hersteller. Rückendeckung erhält er unter anderem vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Wenn die Kassen ihre „omnipotente Stellung“ ausnutzten – der GKV-Spitzenverband verfüge im G-BA über die meisten Stimmen – sei das AMNOG zum Scheitern verurteilt.

Die Kassen halten dagegen, das System funktioniere. Es gebe keinen Grund, die Preisverhandlungen zu fürchten – wenn es sich bei den Präparaten um echte Innovationen handle. Bei der AOK wird man besonders deutlich: GSK solle nicht versuchen, dem AMNOG die Schuld für den Trobalt-Rückzug in die Schuhe zu schieben, so Uwe Deh, Chef des AOK-Bundesverbands.

„Wenn am gleichen Tag eine Firma den Bewertungs- und Preisfindungsprozess erfolgreich abschließt und eine andere Firma aus dem Prozess aussteigt, dann kann das nicht an dem Prozess liegen“, so Deh unter Verweis auf den verhandelten Preis für Brilique. Für Nachbesserungen ist der AOK-Chef nicht zu haben: Eingriffe in das Gesetz verböten sich – schließlich lerne es gerade erst richtig laufen.