Jamaika-Sondierung

Scheitern bietet Chance für Neustart

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Berlin -

Jamaika bleibt vorerst eine kleine Insel in der Karibik. Politischen Reggae nach Deutschland zu holen, fehlten CDU, CSU, Grünen und FDP die Fantasie. Die Mutlosen haben für alle verloren. Vielleicht aber bietet gerade das Aus für die zähen und quälenden Jamaika-Sondierungen am Ende die Chance für einen politischen Neustart. Der aber benötigt Zeit – mehr Zeit als den Apothekern recht sein kann: DocMorris & Co. können bis auf Weiteres ihre Rx-Boni-Wettbewerbsvorteile ausspielen. Die Apotheker müssen daher ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, kommentiert Lothar Klein.

Angela Merkels Ära von Raute und Ratlosigkeit neigt sich ihrem Ende zu. CSU-Chef Horst Seehofer wird seinen Platz demnächst räumen. Und auch die SPD wird sich erneut fragen müssen, wie sie es mit ihrem Personal und mit der politischen Verantwortung hält. Die Bundestagswahl schüttelt das deutsche Parteiensystem kräftiger durcheinander als gedacht.

Jetzt ist zunächst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Zug. Nur über das Staatsoberhaupt führt der Weg zu Neuwahlen. Zuvor sieht das Grundgesetz einen langwierigen politischen Prozess vor: Zweimal muss der neugewählte Bundestag versuchen, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen einen Kanzler zu wählen. Nach Lage der Dinge wird dies scheitern. Erst im dritten Wahlgang reicht die relative Mehrheit aus. Das Ergebnis wäre eine Minderheitsregierung – so weit die Theorie.

In Deutschland hat es noch nie eine Bundesregierung ohne eigene Gestaltungsmehrheit im Parlament gegeben. Nach Lage der Dinge käme nur eine Minderheitsregierung von Union und Grünen oder FDP in Frage. Aber wer sollte eine solche Regierung anführen? Angela Merkel, die zuvor zweimal bei der Kanzlerwahl durchgefallen ist – mit Christian Lindner, der für Jamaika die Reißleine gezogen hat? Oder mit den Grünen, die ihre Prinzipien im Jamaika-Ringen schon weit über die rote Linie hinaus aufgegeben hatten? Das alles verspricht keine stabilen politischen Verhältnisse. Die Verfallszeit jeder solchen Regierung wäre kurz.

Stabile Mehrheiten werden auch Neuwahlen nicht bringen. Glaubt man den Umfragen, springen dabei noch labilere Konstellationen heraus. Die AfD dürfte der einzige Profiteur eines solchen Weges sein – das kann sich niemand wünschen.

So oder so: Die SPD wird sich am Ende fragen müssen, ob sie sich aus ihrer selbstgewählten Verbannung in die Opposition befreit. Kann sich die älteste deutsche Partei tatsächlich einer Regierungsbildung dauerhaft verweigern? Mehr noch: Wenn absehbar ist, dass auch nach Neuwahlen nur eine dann noch kleinere Mehrheit von Union und SPD eine stabile Regierung garantiert, kann man das Verfahren auch abkürzen.

Der Weg zurück in eine große Koalition führt über das politische Personal. Ein Neuanfang muss sich in Personen spiegeln. Merkel, Seehofer, und auch SPD-Chef Martin Schulz müssen Platz machen für eine neue Generation. Sie alle hatten ihre Chance: Merkel ist mit ihrer Politikmethode des Moderierens an Jamaika gescheitert. Seehofers Zeit in Bayern ist ohnehin abgelaufen und Martin Schulz hat der SPD keine Zukunftsideen zu bieten.

Jetzt muss rasch gehandelt werden. Für Katerstimmung bleibt keine Zeit. Deutschland kann sich eine rein verwaltende Regierung nur für kurze Zeit leisten. Die heimische Wirtschaft ist bereits nervös. International steht Berlin in der Verantwortung – nicht nur bei den Brexit-Gesprächen in Brüssel. Es geht um mehr als den Familiennachzug für eine relativ kleine Gruppe von Bürgerkriegsflüchtlingen.

Für die Apotheker gibt es ebenfalls eine Große-Koalition-Jamaika-Lektion: Um auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung zu spielen, müssten die Apotheken neue Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern aktiv gestalten. Ideen sind gefragt, wie die Apotheken im sich veränderden digitalen Gesundheitsmarkt ihren Platz behaupten können. Die Politik setzt nur die Rahmenbedingungen. Der Markt schafft derweil Fakten.

Dem verpassten Rx-Versandverbot hinterherzujammern, macht keinen Sinn – jetzt noch weniger als zuvor. Die Apotheker und zuvorderst die ABDA müssen Zukunftsperspektiven entwickeln und aufzeigen. Wer beispielsweise beim Medikationsplan zu recht die Verantwortung übernehmen will, kann auch mit eigenen Angeboten überzeugen. Wer auf die Politik wartet, hat sonst das Nachsehen.

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