Die Scharlachwelle rollt schon seit einigen Monaten, die durch Streptokokken A ausgelöste Infektion muss in der Regel antibiotisch behandelt werden. Die Versorgung ist durch die Lieferengpässe bei Antibiotika gefährdet, die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein erwartet auch in den nächsten Wochen kaum Besserung.
Laut der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) hat sich die Zahl der Scharlachfälle im 1. Quartal 2023 im Vergleich zu 2019 und 2020 in Schleswig-Holstein annähernd verdoppelt. Nachdem es zwischen Oktober und Dezember 2022 noch 1.831 Fälle gegeben habe, sei die Zahl zwischen Januar und März 2023 auf 6.469 Fälle hochgeschnellt.
„Die Situation ist so ernst, weil es auf dem Markt so gut wie keine Antibiotika-Saftzubereitungen mehr gibt. Betroffen sind von der Welle überwiegend Kindergarten- und Grundschulkinder“, so die Vorstandsvorsitzende der KVSH, Dr. Monika Schliffke. „Hinzu kommen auch noch deutliche Steigerungen durch andere Streptokokkenanginen und eitrige Mittelohrentzündungen, die ebenso wie Scharlach ernste Komplikationen auslösen können.“
Momentan fahren Eltern, um die Antibioika zu bekommen, laut KVSH von einer Apotheke zur anderen, und legen dabei zu Notdienstzeiten abends und an Wochenenden weite Wege zurück – manchmal mehr als 30 Kilometer. In vielen Fällen müssten zudem Rücksprachen zwischen Apotheker und Arztpraxis gehalten werden, wenn zum Beispiel statt eines Saftes nur Tabletten erhältlich sind und Dosisanpassungen erfolgen müssen.
„Wir erwarten in den nächsten Wochen kaum Besserung, der gesamte europäische Markt scheint leer zu sein“, so die KVSH weiter. „Dies ist jetzt ein dringlicher Appell an die Bundesregierung, sich um die Arzneimittelgrundversorgung zu kümmern, damit wenigstens für die nächste Saison ausreichend vorgesorgt werden kann.“ Die Zahlen seien da und die erforderlichen Mengen berechenbar. „Der Sparzwang der letzten Jahre darf nicht länger auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden, erst recht nicht bei den Kleinsten“, heißt es.
Gestern warnten auch der Apothekerverband und die Kassenärztliche Vereinigung Mecklenburg-Vorpommerns gemeinsam vor einer weiteren Zuspitzung der Versorgungslage: Es sei demnach nicht auszuschließen, dass Kinder ins Krankenhaus eingewiesen werden müssten, um dort ein Antibiotikum intravenös zu erhalten, wenn weder Säfte noch Tabletten verfügbar seien.
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