Schadstoffe in Farben: Alle Tattoos bald nur noch schwarz-weiß? dpa/ APOTHEKE ADHOC, 28.09.2020 11:05 Uhr
Den Pigmenten „Blau 15“ und „Grün 7“ droht das europaweite Verbot in Tätowiermitteln – beide sind nach Angaben von Tätowierern in 60 Prozent aller Farben enthalten. Farbige Motive könnten dann der Vergangenheit angehören, warnt der Bundesverband Tattoo.
Die Pigmente „Blau 15“ und „Grün 7“ sind für viele Tätowierer wichtig. Da sie zur Mischung einer sehr umfangreichen Palette an Farbtönen benötigt werden, sind sie nach Angaben des deutschen Tattooverbands in fast zwei Dritteln aller Tattoo-Farben enthalten. Nun gibt es Bestrebungen in Brüssel, die Pigmente europaweit zu verbieten. Darauf angesprochen, zeichnet Tattooverband-Sprecher Gorden Lickefett ein düsteres Bild für die Branche: „Es wird keine Motive mit blauem Wasser oder grünen Wiesen mehr geben. Keine farbenfrohen Naturmotive oder abstrakte künstlerische Motive“.
Die Pigmente „Blau 15“ und „Grün 7“ seien bereits für die Verwendung in Haarfärbemitteln verboten, heißt es vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR). Ein Beschränkungsvorschlag der Europäischen Chemikalien Agentur (ECHA), der auch die Pigmente „Blau 15“ und „Grün 7“ betrifft, liegt den Angaben zufolge bei der Europäischen Kommission. Demnach sei eine Übergangsphase von zwei Jahren geplant, in der sich Tätowierer und Hersteller nach Alternativen umschauen können. Dabei gehe es auch um die Einschränkung der Pigmente in Tätowiermitteln. Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) hatten vor drei Jahren in einem internationalen Kooperationsprojekt belegt, dass sich Farbpigmente in Nanopartikelgröße in Lymphknoten dauerhaft anreichern können. Die ECHA vermutet, dass die beiden Farbstoffe neben Hautirritationen auch Blasenkrebs auslösen können. „Jedoch ist die vorhandene Datenlage zu den gesundheitsgefährdenden Eigenschaften beider Pigmente unvollständig“, sagt BFR-Forscher Michel Giulbudagian. Eine vollständige Risikobewertung ist demnach zurzeit nicht möglich.
In Deutschland hat der Körperkult im Jahre 1946 mit einem Studio in Hamburg seinen Anfang genommen, wie Lickefett erzählt. Die durch das Verbot veränderte Farbpalette ließe sich möglicherweise nicht mehr so gut verarbeiten, mutmaßt der Betreiber der ältesten Tätowierstube Deutschlands, Sebastian Makowski. Ein Verbot wäre eine Katastrophe für alle Farbtätowierer und deren Kunden, sagte Tschiggy Lindner, Inhaberin von „Bubblegum Tattoo“ auf Anfrage. Mögliche Ersatzstoffe könnten in Anbetracht von Farbbrillanz oder Haltbarkeit keine wirklichen Alternativen darstellen. Bereits vor einen knappen Jahr hatte das Landesamt für Lebensmittelsicherheit in Mecklenburg-Vorpommern 14 Tattoo-Farben untersucht und sechs davon unter anderem wegen erhöhter Schwermetallgehalte beanstandet.
Ein Verbot der Pigmente „Blau 15“ und „Grün 7“ habe auch drastische Folgen für den Verbraucherschutz, warnt der Bundesverband Tattoo. Nach einer eigenen Untersuchung der Inhaltsstoffe aller handelsüblichen Tattoo-Farben enthielten fast zwei Drittel aller Farben die beiden Pigmente. Unter dem Druck der Nachfrage könnten Hersteller und Tätowierer verzweifelte Wege gehen, befürchtet Lickefett. Demnach könnten Anbieter beispielsweise ihre Produkte als Künstlerfarben umdeklarieren, um sich dadurch dem Verbot zu entziehen. „Dies führt unweigerlich zu einem unkontrollierbaren Zustand für Verbraucher“, so Lickefett.
In Hamburg gibt es aber nicht nur das erste Tattoostudio Deutschlands – sondern womöglich auch bald das erste Studio, das von einem Schreibwarenhersteller geführt wird. Im Oktober eröffnet Edding im Chilehaus ein eigenes Tattoostudio mit Farben aus eigener Produktion. Nach Herstellerangaben enthalten die Farben keine Konservierungsstoffe und auch die Pigmente „Blau 15“ und „Grün 7“ sucht man vergebens: „Eddings Tattoo-Farben verwenden diese Pigmente und weitere Stoffe nicht, sind daher zukünftig EU-konform“, hieß es von der Pressestelle. Das Projekt befinde sich aber noch ganz am Anfang. „Wir wissen auch, dass wir durch den Verzicht der beiden Pigmente vielleicht eingeschränkt sind in der Farbvielfalt“, sagt Knebelkamp.
Als unmittelbare Lösung der Probleme, die sich durch ein mögliches Verbot der Pigmente ergeben würden, seien die eigenen Farben ohnehin nicht gedacht, sagt er. Das liegt auch daran, dass der Laden im Herzen Hamburgs laut Knebelkamp zunächst das einzige Tattoostudio sein soll, das die Edding-Farben benutzt.