Graumarkt

Sanofi und der Pharma-Kapitän

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Berlin -

Vor einem Jahr enthüllte der „Spiegel“, wie Sanofi mit vermeintlichen Hilfslieferungen für Nordkorea den deutschen Graumarkt speiste. Doch das war möglicherweise nur der kleinere Teil eines ganz großen Geschäfts: Medikamente im Wert von 200 Millionen Euro soll der Pharmakonzern an Kreuzfahrtschiffe geliefert haben – tatsächlich aber in Deutschland verkauft haben. Im Mittelpunkt steht wieder Erich Dambacher. Der Ex-Cheflobbyist leitete bei Sanofi verschiedene Spezialprojekte („Spot-Business“) und soll auch andere Hersteller dazu gebracht haben, bei dem Deal mitzumachen. Wurde die gesamte Branche getäuscht?

Mehrere tausend Seiten interner E-Mails, Besprechungsprotokolle und Lieferlisten liegen dem „Spiegel“ laut Bericht vor. Demnach soll Dambacher das Geschäft 2001 in Angriff genommen haben. Für bis zu 50 Prozent Rabatt lieferte die Branche an Sanofi; der Pharmakonzern übernahm gegen Provision die Rolle eines Maklers, der die Ware vermittelte und auslieferte. Gegenüber externen Pharmamanagern warb Dambacher laut „Spiegel“ zeitweise damit, rund 20 Reedereien mit 150 Schiffen zu beliefern.

Tatsächlicher Empfänger der von Sanofi eingesammelten Ware war laut Bericht eine Firma namens „Carnival Enterprise“ mit Sitz in Venezuela, später in Panama. Mit der gleichnamigen Großreederei (Queen Mary II, Aida) aus den USA hat die Firma nichts zu tun – nur der Name wurde vermutlich bewusst gewählt.

Die Pharmafirmen hätten geblaubt, dass die Firma zur internationalen Kreuzfahrtflotte gehöre, zitiert der „Spiegel“ den Pharmakonzern Boehringer. Auch andere Hersteller wie Novartis, AstraZeneca, Pfizer, Astellas, Lilly, Merck, GlaxoSmithKline und Janssen-Cilag ließen sich demnach täuschen und machten mit.

„Carnival Enterprise“ schickte laut Bericht Monat für Monat Bestelllisten an Sanofi; der Pharmakonzern stellte LKW-Ladungen zusammen und schickte diese zu einem Verteilerzentrum nach Belgien, von wo aus sie angeblich nach Genua gingen und auf die Schiffe verladen wurden. Das Problem: Weder der weltgrößte Kreuzfahrtkonzern will vom Namensvetter beliefert worden sein noch dessen Tochterfirmen Princess Cruises und Cunard oder andere in den Sanofi-Abnehmerverzeichnissen gelistete Größen wie Royal Caribbean Cruises (Oasis of the Sea) oder Norwegian Cruise Line.

Dambacher ließ gegenüber dem „Spiegel“ ausrichten, dass auch er von „Carnival Enterprise“ sowie den eingeschalteten Wirtschaftsprüfern getäuscht worden sei. Nach seinem Ausscheiden bei Sanofi im Jahr 2007 war der Manager mit der Firma Floki laut Bericht allerdings nicht nur weiter als „Exklusiv-Beauftragter“ für Sanofi tätig. Neben den 9200 Euro, die der Pharmakonzern pro Monat zahlte, kassierte Floki demnach seit 2008 weitere 85.000 Euro pro Monat über einen Dienstleistungsvertrag mit „Carnival Enterprise“.

Inhaber und Geschäftsführer der Firma war laut Bericht bis 2006 Siegfried Pulgrabia – der „Spiegel“ führt ihn auf als Großspender für die FDP und „Vertrauensmann“ der deutschen Botschaft in Caracas. Nachfolger war Harald Böttner, Teamchef des Motorrennstalls „MS Racing“. Der Kontakt lief zeitweise über eine Adresse in Hannover beziehungsweise in der Schweiz.

Ab 2007 sollen die ersten Hersteller skeptisch geworden sein: Ein Bayer-Manager etwa stellte auf einer privaten Kreuzfahrt fest, dass auf dem vermeintlichen Vertragsschiff keine deutschen, sondern italienisch beschriftete Medikamente eingesetzt wurden.

Berlin-Chemie stellte 2009 fest, dass mehr Torem-Packungen abgerechnet als an den Großhandel geliefert wurden. Die Differenz entsprach der Menge, die ins vermeintliche Schifffahrt-Geschäft ging. Auch bei Lilly soll 2009 der Verdacht aufgekommen sein, dass die Ware in Deutschland und nicht auf den Weltmeeren zu Einsatz kommt.

Zusammen mit den Hilfslieferungen summierten sich die Umsätze aus der Schiffsbelieferung laut Bericht zwischen 2006 und 2010 auf 245 Millionen Euro. Laut „Spiegel“ droht dem Konzern nicht nur einer der größten Skandale der Branche, sondern auch Schadenersatzklagen der angeblich getäuschten Lieferanten. Am Ende wird die Frage sein, wer wirklich wie viel wusste.

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