Sanacorp-Fall wird neu aufgerollt Alexander Müller, 06.11.2020 10:26 Uhr
Vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) muss eine Grundsatzfrage geklärt werden: Wie viel pharmazeutisches Wissen muss die „verantwortliche Person“ in einer Großhandelsniederlassung vorweisen? Die Leipziger Richter sollten hierzu gestern eigentlich ihr Urteil verkünden, haben die Sache aber an die Vorinstanz zurückverwiesen. Jetzt muss sich das Oberverwaltungsgericht Münster erneut damit befassen.
Das BVerwG hat das Urteil des OVG vom 26. Februar wird aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen, teilte eine Sprecherin des BVerwG gegenüber APOTHEKE ADHOC mit. Mit der Begründung für diese Entscheidung ist erst in etwa zwei Monaten zu rechnen. Weil vor dem Revisionsgericht keine neuen Sachverhalte mehr vorgebracht werden können, deutet die Zurückverweisung darauf hin, dass die Leipziger Richter auf der Tatbestandseite noch Aufklärungsbedarf haben.
In einem Fall ging es um die Düsseldorfer Niederlassung der Sanacorp, in einem zweiten Verfahren um ein kleineres Unternehmen mit Großhandelserlaubnis. Auch dieser zweite Fall geht zurück nach Münster zur erneuten Verhandlung.
Sanacorp hatte 2014 einen gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann als „verantwortliche Person“ gemeldet. Der Mitarbeiter war seit Februar 2015 als Betriebsleiter tätig und hatte schon mehrere andere Niederlassungen des Großhändlers geleitet. Die Genossenschaft machte geltend, dass er daher mit den Gegebenheiten und Anforderungen eines pharmazeutischen Großhandelsbetriebes bestens vertraut sei.
Doch die Aufsichtsbehörde hatte Einwände. Die Bezirksregierung teilte im April 2014 mit, dass der Nachweis der Sachkenntnis „für Herrn Q.“ nicht erbracht worden sei. Sie drohte sogar, das Ruhen der Großhandelsgenehmigung anzuordnen, wenn nicht der erforderliche Sachkenntnisnachweis erbracht oder eine andere Person benannt werde. Sowohl das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) als auch das OVG teilten die Einschätzung der Behörde. Zwar sei eine pharmazeutische Ausbildung nicht zwingend erforderlich, die Eignung müsse aber im Einzelfall belegt werden.
Die Sanacorp hatte sich auf ein Positionspapier des Phagro bezogen, wonach eine naturwissenschaftliche oder pharmazeutische Ausbildung der verantwortlichen Person nicht notwendig sei. Auch die Großhandelsverordnung (AM-HandelsV) verlange nicht, dass die zuständige Person bei der Implementierung und Aufrechterhaltung eines Qualitätssicherungssystems etwa selbst die Standards aufstelle. Produkte mit vergleichbaren Lager- und Transportbedingungen aufzuteilen, könne auch ein Mitarbeiter ohne Staatsexamen, so das Argument.
Das OVG verlangte dagegen Kenntnisse im Umgang mit Arzneimitteln, die in etwa in einer pharmazeutischen Berufsausbildung vermittelt würden. Die Benennung sei „nicht bloße Formsache“, schließlich müsse sich die verantwortliche Person um das QMS kümmern und über die Verkehrsfähigkeit bestimmter Arzneimittel entscheiden.
Zwar könnten einzelne Aufgaben übertragen werden, nicht aber die Verantwortung. In den GDP-Leitlinien werde ein abgeschlossenes Pharmaziestudium als „wünschenswert“ genannt. Diese Sachkenntnis könne im Einzelfall etwa auch „durch eine langjährige einschlägige Berufserfahrung und berufsbegleitende Schulungen oder Fortbildungen“ erworben werden.