Kammer verbietet Gratis-Verblisterung Alexander Müller, 05.11.2014 13:34 Uhr
Die Apothekerkammer des Saarlandes verbietet es ihren Mitgliedern, für Pflegeheime umsonst oder zu sehr geringen Gebühren zu verblistern. Einer entsprechenden Verschärfung der Berufsordnung hat die Kammerversammlung mit großer Mehrheit zugestimmt. Mit dem Verbot will die Kammer laut ihrem Präsidenten Manfred Saar die Apotheken gegenüber den Pflegeheimbetreibern stärken.
Der Kammer zufolge verstößt das kostenlose Verblistern oder Stellen von Arzneimitteln gegen die Preisbindung. Die Dienstleistung ist demnach als geltwerter Vorteil zu verstehen und entsprechend zu honorieren. Etwaigen Umgehungsversuchen soll von vornherein das Wasser abgegraben werden: Das Honorar muss laut Beschluss im Verhältnis zum marktgerechten Preis stehen. Ein Entgelt im Centbereich wäre damit ebenso unzulässig.
Saar sieht in dem Beschluss Vorteile für die Apotheker: „Das ist eine große Hilfe für die Kollegen gegenüber den Pflegeheimen. Es muss sich in den Köpfen der Heimbetreiber festsetzen, dass das eine zu honorierende Dienstleistung ist.“
Heute sei es vielleicht sogar die Regel, dass Apotheken das Verblistern umsonst oder zu sehr geringen Honoraren anböten, so Saar. Aus seiner Sicht ist es für alle ein Problem, wenn Apotheken bei der Heimversorgung nicht richtig rechneten. Die Leistung werde dann häufig quer subventioniert. „Wir wollen die Kollegen unter Druck setzen, die alles für lau machen“, so der Kammerpräsident.
Saar geht davon aus, dass die Apotheken für ihre Leistung inklusive Material und Medikationsmanagement vier bis fünf Euro pro Wochenblister veranschlagen könnten. Auch wenn sich diese Preise nicht gleich durchsetzen ließen, sei mit dem Beschluss der Kammer immerhin ein Anfang gemacht, dass das Verblistern künftig überhaupt bezahlt werde, so der Kammerpräsident.
Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheken (BVKA) begrüßt den Vorstoß aus dem Saarland. In der Tat hätten Heimträger heute vielfach die klare Erwartungshaltung gegenüber Apotheken, dass die Dienstleistung kostenlos erbracht werde. „Die versorgende Apotheke steht damit vor der Entscheidung, die Heimversorgung vollständig zu verlieren oder aber unrechtmäßig zu handeln und ihre Erträge deutlichst zu reduzieren“, so der BVKA.
Bereits im Mai 2011 hatte die BVKA-Mitgliederversammlung die so genannte Bad Homburger Erklärung zur Heimversorgung verabschiedet. Darin wird die Qualität beim Verblistern oder Stellen von Arzneimitteln in Heimen definiert, aber auch eine konkrete Vergütung für diese Dienstleistung genannt. Hier ist von einer Honorierung von 3,50 Euro pro Patient und Woche zusätzlich zum Preis der Arzneimittel die Rede. Für das Medikationsmanagement werden weitere Gebühren veranschlagt.
Der BVKA hat den Gesetzgeber und die Aufsichtsbehörden nach eigenen Angaben schon mehrfach aufgefordert, ein kostenloses Verblistern zu unterbinden. Entsprechende Versorgungsverträge sollten nur genehmigt werden, wenn auch ein Honorar für die Dienstleistung vereinbart sei, so der Verband. Der Gesetzgeber habe zudem für klare Regelungen der Honorierung für das blistergestützte Medikationsmanagement in der Arzneimittelpreisverordnung zu sorgen, so der BVKA.
Auch die Rechtsprechung ging in der Vergangenheit davon aus, dass das Verblistern keine handelsübliche Nebenleistung ist. Das Landgericht Leipzig hatte im Jahr 2000 entschieden, dass das kostenlose Verblistern eine verbotene Zugabe im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) ist. Der erhebliche Aufwand werde bei wirtschaftlicher Betrachtung vernünftigerweise nur gegen ein zusätzliches Entgelt erbracht.
Ob sich die saarländische Apothekerkammer in berufsrechtlichen Verfahren ebenfalls gegen Apotheker durchsetzen könnte, ist aber nach heutigem Stand vollkommen offen. Aktuelle Entscheidungen hierzu gibt es nicht. Bei der Kammer setzt man eher darauf, die Verhandlungsposition der Apotheker gegenüber den Heimen zu stärken. Auch die Apothekerkammer Baden-Württemberg hat ihre Berufsordnung schon entsprechend angepasst.
Die saarländischen Apotheker haben bei der Kammerversammlung in der vergangenen Woche eine weitere weit reichten Entscheidung gefällt: Ab Februar 2015 übernimmt die Kammer die Aufsicht über die Apotheken.