Spiegel schimpft mit „Apothekerfreund“ Gröhe Alexander Müller, 25.02.2017 15:23 Uhr
Der Spiegel knöpft sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor: „Dass die Regierung den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneien verbieten will, ist schön für Apotheker, aber schlecht für Patienten“, heißt es in der aktuellen Ausgabe des Magazins. Neuigkeiten in der Debatte zum Rx-Versandverbot hält der Beitrag nicht bereit, dafür eine klare Position: Gröhe argumentiere weltfremd und lasse sich sein Gesetz von der Apothekerlobby einflüstern, so der Spiegel.
Der Beitrag unter dem Titel „Mangel im Überfluss“ beschreibt vor allem zwei Einzelfälle von Patienten, die vermeintlich auf den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten angewiesen sind. Ein querschnittsgelähmter Leistungssportler etwa lasse sich seine Spritzen von einem Spezialversender schicken. Dieser liefere sterile Fertigspritzen, in den Apotheken vor Ort erhalte der Patient diese nicht. Deren Spritzen müsse er selbst aufziehen – mit entsprechend höherem Infektionsrisiko. Außerdem sei das Mittel aus der Apotheke kühlpflichtig.
Als er noch in der Tischtennis-Nationalmannschaft spielte, habe sich der Mann die Spritzen zudem ins Ausland schicken lassen. Das sei künftig nicht mehr möglich, wenn Gröhe mit seinem Rx-Versandverbot durchkomme, heißt es im Beitrag. Der Minister hat seinen Entwurf in die Ressortabstimmung gegeben. Einigkeit gibt es im Kabinett hierüber aber noch nicht.
Gröhe wirkt aber entschlossen, sein Gesetz durchzubringen. Für den Spiegel liegt der Fall klar: „Die Apothekerlobby bejubelt den Minister, weil er ihr die Konkurrenz aus dem Internet vom Hals schaffen will. Doch für viele Menschen würde sich die Lage verschlechtern. Apothekerfreund Gröhe gefährdet die Versorgung chronisch kranker Patienten.“
Das zweite Beispiel im Beitrag ist die Mutter eines Jungen mit Spina bifida. Auch diese Familie müsse sich bei einem Rx-Versandverbot eine neue Bezugsquelle suchen. Die Mutter hat sich in der Sache schon an Bundestagsabgeordnete gewandt – keine Apotheke im Umkreis von 30 Kilometern könne das Medikament herstellen. „Umso weltfremder wirkt die Begründung für das Gesetz, die sich Gesundheitsminister Gröhe offenbar von der Apothekerlobby einflüstern ließ“, ist der Spiegel überzeugt.
Nach Gröhes Argumentation bedrohe der Versandhandel die flächendeckende Versorgung. Der Minister warne in dramatischen Worten vor einem Apothekensterben. „Das ist genau der Sound, den auch die Lobbyvereinigung ABDA anschlägt, freilich ohne je einen Beleg geliefert zu haben“, heißt es weiter.
Zwar sei die Zahl der Apotheken in den vergangenen Jahren rückläufig, doch die Apothekendichte sei noch immer höher als in Dänemark, zitiert der Spiegel eine in diesem Zusammenhang gern zitierte Statistik. Die andere Seite nimmt dafür immer Griechenland. Beide Vergleiche hinken aufgrund der Organisation der jeweiligen Gesundheitssysteme. Für den Spiegel ist aber klar, dass sich Ausländer hierzulande immer darüber wundern, dass es mehr Apotheken als Metzgereien gibt.
Der Botendienst ist aus Sicht des Spiegel auch nicht geeignet, die Versorgung sicherzustellen. Zum einen wegen der lokalen Beschränkung, zum anderen wegen der von Gröhe vorgesehenen Verschärfung. Wenn nur noch Fachpersonal den Botendienst übernehmen darf, würde sich die ohnehin angespannte Personalsituation in den Apotheken noch verschärfen, so das Argument.
Zum Schluss lässt der Spiegel noch zwei Kritiker des Rx-Versandverbots zu Wort kommen: den CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs – der auch noch selbst Apotheker ist – und die SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar. Sie hatte zuletzt mit dem Fraktionskollegen Dr. Edgar Franke einen Alternativvorschlag eingebracht, der vorsieht, begrenzte Rx-Boni für eine Weile zuzulassen. Später könne es dann nach dieser Überlegung immer noch ein Rx-Versandverbot geben.
„Apothekenminister Gröhe aber drückt aufs Tempo“, schreibt der Spiegel. Er wolle sein Gesetz zum Rx-Versandverbot unbedingt noch in dieser Legislaturperiode durchbringen. Auch das findet offenbar nicht die Zustimmung des Spiegel.