Rx-Versandverbot

„Der Baum brennt lichtertloh“

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Berlin -

Der Reigen der Gespräche zwischen Apothekern und SPD-Politikern zu den Folgen und Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil reißt nicht ab. Am Dienstag traf sich Gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar zum Meinungsaustausch mit der ABDA-Spitze. Gestern saß sie gemeinsam mit ihrem Paderborner Parteifreund Burkhard Blienert und Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, in ihrem Abgeordnetenbüro zusammen. Und der NRW-Landtagsabgeordnete André Stinka informierte sich gleich bei drei Apothekern.

Das EuGH-Urteil stelle eine Wendepunkt in der Diskussion um die Sinnhaftigkeit des Arzneimittelversandhandels dar, stellte Overwiening in dem Gespräch heraus. „Die Gefahren, die sich daraus für die flächendeckende Versorgung ergeben, dürfen nicht heruntergespielt werden. Sonst kann es sehr schnell zu einem Dammbruch kommen.“ Sie fügte hinzu: „Pharmazeutische Dienstleistungen, so wie sie in einer alternden Gesellschaft zur Verbesserung der Patientenversorgung von uns Heilberuflern erwartet werden, können aber nur dann etabliert werden, wenn die Politik einen verlässlichen Rahmen dafür bietet.“

Dittmar, Mitglied des Gesundheitssauschusses des Bundestages, und Blienert, der diesem Gremium als stellvertretendes Mitglied angehört, machen deutlich, dass die SPD die flächendeckende Arzneimittelversorgung ebenfalls sichern will, sich aber noch nicht festgelegt hat, auf welchem Wege dieses geschehen kann. Dazu hat Overwiening: „Der Baum brennt lichterloh. Und als einziger Feuerlöschzug kommt ein Rx-Versandverbot in Frage.“

„Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln ist mir ungemein wichtig. Wir müssen auch künftig sicherstellen, dass jeder Bürgerin und jedem Bürger eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung möglich ist“, resümierte Stinka das Treffen mit gleich drei Apothekern in seinem Wahlkreisbüro. Dr. Wolfgang F. Graute, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Westfalen-Lippe, Dr. Alexandra Saimeh, stellvertretende Kreisvertrauensapothekerin im Kreis Coesfeld, und Barbara Schmitt, Apothekerin aus Dülmen, hatten ihrem Wahlkreisabgeordneten einen Besuch abgestattet. Stinka sitzt für die SPD im Landtag von NRW.

„Wir haben deutlich gemacht, wie sinnlos es ist, die Versorgung in der Fläche zu zerschießen, um die Lücke dann mit dem Post- oder Paketboten auszufüllen“, nahm Graute kein Blatt vor den Mund. „Wenn die Struktur beispielsweise auf dem Lande erstmal zerstört ist, dann ist keine Apotheke mehr da, die in der Umgebung noch Notdienst leisten kann“, ergänzte Saimeh, die eine Apotheke in Buldern und damit in einer ländlichen Struktur betreibt.

„Auf dem Land benötigen die Patienten genauso die Apotheke vor Ort wie die Stadtbewohner. Auch hier brauchen die Menschen pharmazeutische Betreuung“, so Schmitt. Die Apothekerin verwies auf erfolgreiche Projekte zur Arzneimitteltherapiesicherheit: „In der Stammapotheke vor Ort laufen alle Verordnungen verschiedener Ärzte zusammen. Auch nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel werden in der Apotheke in den Medikationsplan aufgenommen. Bei uns laufen alle Fäden zusammen, um gefährliche Wechselwirkungen zu vermeiden.“

Man war sich einig, dass es keine „Rosinenpickerei“ in der Arzneimittelversorgung geben dürfe: „Eine Vorort-Apotheke funktioniert mit einer Mischkalkulation. Man braucht die Einnahmen verschreibungspflichtiger Arzneimittel, um damit die defizitären Teile wie den Nacht- und Notdienst oder die Anfertigung von Salben oder Kapseln zu finanzieren“, stellten die Pharmazeuten klar. „Wenn Versender sich nur die Rosinen rauspicken, aber keine Gemeinwohlaufgaben wie den Nacht- und Notdienst leisten, kann das nicht funktionieren.“

Auch sei der Versand keine Lösung für die Versorgung in Regionen, wo es aufgrund der geringen Bevölkerungsdichte keine Apotheke in der Nähe gebe. „Für diese wenigen Einzelfälle gibt es Rezeptsammelstellen, in die Rezepte eingeworfen werden können“, erklärte Graute. „Die werden zweimal täglich geleert. Hier gilt der tägliche Kontrahierungszwang. Die Apotheke, die die Sammelstelle betreut, ist also verpflichtet, die Arzneimittel noch am gleichen Tag bei den Patienten per Botendienst zustellen – unabhängig von allen Widrigkeiten.“

Abschließend sprach sich SPD-Mann Stinka dafür aus, nach dem bindenden EuGH-Urteil Möglichkeiten zu erörtern, „die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft zu erhalten“.

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