Rx-Versandverbot

Nüßlein im Kreuzfeuer

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Berlin -

Im zugespitzten Koalitionsstreit um das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagene Rx-Versandverbot werden Statements und Interviews mittlerweile auf die politische Goldwaage gelegt. Deshalb sorgte ein in der Schwäbischen Zeitung (SZ) erschienenes Zitat von Unions-Fraktionsvize Dr. Georg Nüßlein (CSU) für Ärger und Verwirrung in den Reihen seiner Fraktion. Das BMG schickte aufgeregt SMS und es gab ein klärendes Gespräch in der Arbeitsgruppe Gesundheit der Unionsfraktion: Nüßlein fühlt sich falsch wiedergegeben. Der CSU-Politiker steht hinter Gröhe.

In den Streit um das Rx-Versandverbot komme Bewegung, schrieb die Schwäbische Zeitung und bezog sich auf Nüßlein: „Man kann über einen Boni-Deckel reden, wir sind mit allem zufrieden, was mit der SPD zu machen ist und was den Standort-Apotheken hilft“, hatte der Unionsfraktionsvize dem Blatt angeblich in den Block diktiert. Mehr noch: Er selbst wolle dazu am Donnerstag beim zweiten Gespräch mit SPD-Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach, der ABDA und den Versandapotheken einen Vorschlag präsentieren.

Die Boni-Kappung könne Teil einer Übergangslösung sein, wenn zugleich das Ziel eines generellen Versandhandelsverbotes nicht aufgegeben werde, beschreibt die Zeitung Nüßleins Position. Eine weitere Möglichkeit sei es, Beratungsleistungen niedergelassener Apotheken besser zu honorieren. Auch das könne ein Zwischenschritt sein.

So viel abweichende Eigenständigkeit machte prompt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hellhörig. Es wurde an die AG Gesundheit gesimst, was denn da los und in den CSU-Politiker gefahren sei, wollte Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz wissen. Noch bevor Nüßlein in der AG Gesundheit erschien, las Widmann-Mauz den dpa-Bericht zum Nüßlein-Interview vor und wollte wissen, wo denn jetzt die AG Gesundheit stehe. Ja, ja die Journalisten, wiegelten Nüßleins CSU-Kollegen ab. Man wisse doch, wie so etwas laufe. Klar stehe man hinter Gröhe.

Denn im BMG will man derzeit keinen Kompromiss mit der SPD eingehen und das Rx-Versandverbot stattdessen in den Wahlkampf in NRW ziehen. Risse in der bislang nach außen hin einigermaßen geschlossenen Unionsfront kann man sich da natürlich nicht leisten. Auch die AG Wirtschaft der Unionsfraktion versprach, ihre Bedenken gegen das Rx-Versandverbot nicht an die große Glocke zu hängen.

Per SMS herbeigerufen, musste Nüßlein in der Sitzung der AG Gesundheit der Unionsfraktion Rede und Antwort stehen. Der Journalist der Schwäbischen Zeitung habe ihn „völlig falsch“ wiedergegeben, sagte Nüßlein heute auf Nachfrage. Er habe ihn missverstanden und seine Aussagen verdreht wieder gegeben. An erster Stelle habe er sich „klar und deutlich“ hinter Gröhes Rx-Versandverbot gestellt, beteuert Nüßlein. Er sei mit seinen Aussagen nicht von der Unionslinie abgewichen. Er werde schon gar keinen wie in der SZ beschriebenen Kompromissvorschlag bei dem morgigen Treffen unterbreiten, so Nüßlein.

Allerdings räumte Nüßlein gegenüber APOTHEKE ADHOC seine nachrangige Kompromissbereitschaft ein: „Wenn wir kein Rx-Versandverbot hinkriegen, müssen wir weitersehen“. Nüßlein verwies auf seinen Fraktionskollegen Michael Hennrich: Der CDU-Arzneimittelexperte hatte bereits vor Wochen zu erkennen gegeben, dass man – wenn nichts anderes mehr geht – über den SPD-Vorschlag reden könne: „Wir sollten jetzt als Erstes die Ressortabstimmung abwarten“, sagte Hennrich zu APOTHEKE ADHOC und „den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun“. „In zwei bis drei Wochen wissen wir mehr.“ Er wolle den Vorschlag der SPD-Gesundheitspolitiker aber damit nicht ablehnen. „Der kommt dann auf den Tisch, wenn aus zeitlichen Gründen der andere nicht funktioniert“, sagte Hennrich.

Franke und Dittmar wollen einen Bagatellbonus von 1 Euro sowohl im Sozialgesetzbuch (SGB V) als auch in Heilmittelwerbegesetz (HWG) verankern. Die gesetzliche Neuregelung soll auf zwei Jahre befristet werden. In diesem Zeitrahmen soll eine Expertenkommission die wirtschaftliche Situation der Apotheken auf Grundlage einer Honorarstudie, die derzeit durchgeführt wird, sowie unter Berücksichtigung der Wettbewerbssituation im Apothekenmarkt, der Sicherstellung der Versorgung, der Einbindung der Apotheken in sektorenübergreifende Versorgungsmodelle und der Arzneimitteltherapiesicherheit evaluieren.

Mit Nüßleins Klarstellung gab sich die Runde mit BMG-Staatssekretärin Widmann-Mauz zufrieden. Damit ist aber auch ein guter Teil der Spannung aus dem morgigen Treffen bei Nüßlein und Lauterbach heraus. Ergebnisse werden nicht erwartet. Andere Teilnehmer fragen sich sowieso, welche Fortschritte das zweite Gespräch bringen kann.

Die ABDA hat bereits klare Kante angekündigt und wird keinen Millimeter von ihrer Forderung nach einen Rx-Versandverbot abzuweichen. Die Versandapotheken habe ihre Argumente und Vorschläge bereits vor drei Wochen präsentiert. Und der SPD-Vorschlag ist bekannt. Eigentlich hatte man darauf gesetzt, dass der kurzfristig wegen Erkrankung von CSU-Chef Horst Seehofer abgesetzte Koalitionsgipfel am Dienstagabend eine Klärung hätte bringen können. Nun heißt es erneut abwarten. Einen neuen Termin für das Treffen von Kanzlerin Angela Merkel mit Noch-SPD-Chef Sigmar Gabriel, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz und Seehofer gibt es noch nicht.

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