Am 29. März will der Koalitionsausschuss der Parteichefs von CDU, CSU und SPD den abgesagten Termin vom 7. März nachholen. Dort sollte auch die Entscheidung über das Rx-Versandverbot fallen. Die CSU hat den Arzneimittelversandhandel auf die Tagesordnung gesetzt. Doch der Termin wackelt erneut. Der neu gewählte SPD-Vorsitzende Martin Schulz hat aus Termingründen abgesagt. Schulz geht stattdessen zum Frühlingsempfang der SPD-Bundestagsfraktion.
In der Münchener CSU-Parteizentrale zeigt man sich verwundert über die Absage des SPD-Chefs – geht es doch neben dem Rx-Versandverbot um andere wichtige Entscheidungen auf der Zielgeraden der Großen Koalition. Zum Beispiel soll auf Wunsch der SPD über das Pflegeberufegesetz gesprochen werden. Wie ein CSU-Sprecher bestätigte, ist trotz der Absage von SPD-Spitzenmann Schulz der Koalitionsausschuss noch nicht gecancelt. Außer den Parteichefs nehmen daran auch die Fraktionsvorsitzenden teil. Die CSU habe das Thema Rx-Versandverbot auf die Tagesordnung gesetzt, bestätigte der Parteisprecher.
Hinter dem Termingerangel verbergen sich auch politische Machtspiele. In der SPD war man nämlich verwundert darüber, dass CSU-Chef Horst Seehofer zwar am 7. März wegen einer Erkältung nicht am Koalitionsausschuss teilnehmen konnte, gleichwohl am Tag darauf in München beim Starkbieranstich im Wirtshaus Paulaner am Nockherberg gut gelaunt beim Feiern zu sehen war. Jetzt drängt die SPD auf eine erneute Verschiebung des Koalitionsgipfels.
Normalerweise werden zur Vorbereitung von Koalitionsgipfeln der Parteichefs zu den strittigen Punkten Kompromisslinien vorbereitet. Ob dies im Fall des Streits um das Rx-Versandverbot auch der Fall und gelungen ist, bleibt vorerst offen. Offenbar wurde aber über die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Thomas Oppermann (SPD) ein weiter Anlauf gestartet. Ein Indiz dafür ist der Konflikt in der Unionsfraktion um das Interview von Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) in der Schwäbischen Zeitung. Dort wurde Nüßlein mit vermeintlichen Kompromissvorschlägen zitiert, später allerdings vom BMG zurück gepfiffen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch eine Passage aus der Abschiedsrede von Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel beim Sonderparteitag am letzten Sonntag. Denn wo die Welt sich immer schneller zu drehen scheine, wo jeden Tag alle möglichen Veränderungen auf die Menschen zukämen, da wollten die allermeisten auch Orte, an denen sie sich sicher aufgehoben fühlen, sagte Gabriel und kam dann konkret auf die Apotheken zu sprechen: „Und wenn schon heute in mehr als 20 Prozent der Gemeinden keine Schule, kein Hausarzt, keine Apotheke, kein Laden und keine Bushaltestelle mehr zu finden ist, dann fühlen sich Menschen von der Politik vergessen und haben Angst, ihre Heimat zu verlieren“, so Gabriel laut Redemanuskript.
Gut geführte Dörfer, Gemeinden, Stadtteile und Städte schüfen Zusammenhalt und Gemeinsinn. Und verwahrloste Städte und Gemeinden produzierten verwahrloste Köpfe und Seelen. „Deshalb lasst uns bei aller Wichtigkeit unserer bundespolitischen Aufgaben unseren Kommunalpolitikern eine starke Stimme in der Partei geben“, so Gabriel.
Die SPD sei immer auch die „Heimatpartei“, die Menschen gute Gemeinwesen und lebendige Dörfer, Stadtteile und Städte schaffen will. Bekannt ist, dass SPD-Chef Schulz diese Position teilt. Außerdem drängt die NRW-SPD im Landtagswahlkampf auf einen Lösung im Rx-Versandverbotstreit.
Gegen ein Last-Minute-Ja der SPD zum Rx-Versandverbot spricht allerdings, das gemeinsame Nein des konservativen Seeheimer Kreise mit der SPD-Parteilinken (PL). „Kein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Medikamenten“, lautet die Überschrift der Mitteilung. „Wir lehnen ein Verbot des Versandhandels ab. Ein Verbot ist keine Lösung für die Herausforderungen der Gesundheitsversorgung sowohl in Ballungsgebieten wie auf dem Land. Wir brauchen beides: lebens- und leistungsfähige Apotheken ebenso wie einen Versandhandel für diejenigen Patienten, die einen langen oder zu beschwerlichen Weg bis zur nächsten Apotheke haben oder die auf Rezepturen durch Spezialversender angewiesen sind“, schreiben der Seeheimer Kreis und die PL. An dieser Erklärung hat auch die neue SPD-Führung um Schulz mitgewirkt.
Ein möglicher Deal könnte daher wohl nur auf der Linie des Vorschlags der beiden SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke und Sabine Dittmar gefunden werden. „Wir suchen weiter nach Lösungen“, sagte kürzlich SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach, der für die Sozialdemokraten die Verhandlungen führt.
Franke und Dittmar hatten als Kompromiss vorgeschlagen, einen Rx-Bonus für alle Apotheken von maximal 1 Euro im Sozialgesetzbuch (SGB V) zu verankern. Die gesetzliche Neuregelung soll auf zwei Jahre befristet werden. In der Zwischenzeit soll das Apothekenhonorar überarbeitet werden. „Je länger die Diskussion über das Rx-Versandverbot ohne Ergebnis bleibt, je höher steigen die Chancen für diesen Kompromiss“, so Franke. Möglicherweise liegt Franke mit seiner Prognose gar nicht so falsch.
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