In der kommenden Woche läuft die Frist für die Entscheidung über das Rx-Versandverbot ab: Einigt sich die Koalition bis dahin nicht, bleibt alles wie es ist: Die ausländischen Versandapotheken können weiterhin Rx-Boni gewähren – die inländischen Apotheken müssten mit einem erheblichen Wettbewerbsnachteil zurecht kommen. Deshalb laufen die politischen Gespräche zwischen Union und SPD auf Hochtouren, doch noch einen Last-Minute-Kompromiss unter Dach und Fach zu bringen.
Die Ausgangslage ist kompliziert: Die Ressortabstimmung kommt nicht voran, das Bundeswirtschaftsministerium unter Brigitte Zypries (SPD) blockiert das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagene Rx-Versandverbot. Daher haben die Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) für die Union und Thomas Oppermann (SPD) mit der Kompromisssuche begonnen. Dabei sind auch die maßgeblichen Gesundheitspolitiker der Koalition sowie die Ministerien eingebunden. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) soll, wie üblich in solchen Fällen, bei der Ausarbeitung der Gesetzestexte Formulierungshilfe leisten.
Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass ein Kompromiss möglich ist. Klar ist: Ein Ja zum Rx-Versandverbot wird es mit der SPD nicht geben. Daher werden jetzt andere Möglichkeiten ausgelotet. Immer wieder kommt der Vorschlag der beiden SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke und Sabine Dittmar ins Gespräch. Beide hatten vorgeschlagen, über das Sozialgesetzbuch einen Bagatell-Bonus von einem Euro zuzulassen. Das stößt aber bislang auf Widerstand im BMG. Deshalb werden Varianten untersucht. Über einen Deckel wurde spekuliert. Im Gespräch war auch wieder ein Höchstpreismodell.
Über den Ausgang der auf vielen Kanälen laufenden Konsenssuche lässt sich derzeit nur spekulieren. Bis spätestens Anfang kommender Woche sollte aber der Knoten durchschlagen werden. Obwohl die CSU das Rx-Versandverbot auf die Themenliste des nächsten Koalitionsgipfels gesetzt hat, will die SPD das Thema politisch nicht so hoch aufhängen. „Wir bemühen uns um eine Lösung“, heißt es aus dem SPD-Parteivorstand.
Auch in der Union wächst offenbar die Bereitschaft, einen Zwischenschritt zu Gröhes Rx-Versandverbot in Kauf zu nehmen. Der Rückhalt Gröhes in den Reihen der Union ist ohnehin nicht so groß, wie es die zur Schau gestellte Unterstützung vermuten lässt. Es gibt in der CDU/CSU-Fraktion eine wachsende Anzahl von besorgten Stimmen. Da niemand so recht einschätzen kann, welche Rolle das Thema in den anstehende Wahlkämpfen spielen und wer daraus politischen Nutzen ziehen kann, haben sowohl Union als auch SPD Interesse an einem Schlussstrich.
Auch die ABDA mischt auf ihren Kanälen beim Tauziehen mit. Auch dort reift wohl die Einsicht in die politischen Realitäten. Wie es aussieht, könnten die Apotheker als Kompensation für einen Kompromiss unterhalb des geforderten Rx-Versandverbots mit einer monetären Entschädigung rechnen. Im Gespräch ist ein Zuschlag für Landapotheken beim Nacht- und Notdienstfonds. Unklar ist allerdings, wie und von welchen Apotheken das Geld eingezogen und wie es verteilt werden soll. Diese Aufgabe müsste wohl der Deutsche Apothekerverband (DAV) übernehmen.
Weil die Zeit drängt, muss die notwendige Gesetzgebung glatt verlaufen. Auch die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten müssen irgendwie von Einsprüchen abgehalten werden. Als Idee kursiert daher der Vorschlag, eine Kompromisslösung zeitlich zu befristen – im Gespräch sind zwei Jahre. Das könnte Brüssel davon abhalten, die Übergangsregelung in Frage zu stellen. Die im September neu gewählte Bundesregierung hätte dann Zeit, gegebenenfalls eine neue Lösung zu suchen. Juristen zufolge könnte auch mit einem geringfügigen Bonus eine komplett neue Rechtslage erzielt werden, die nicht durch das EuGH-Urteil angegriffen werden könnte.
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