Seit einem Monat mischt der neue SPD-Kanzlerkandidat und designierte Parteichef Martin Schulz die innenpolitische Landschaft auf. In den Umfragen hat er die Sozialdemokraten immerhin aus ihrem Tief geführt, mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) liegt der Ex-Präsident des EU-Parlaments sogar Kopf an Kopf. In seiner ersten Talkshow nach der überraschenden Kür sprach Schulz bei Anne Will in der ARD auch kurz über seine Vorstellungen zur Gesundheitspolitik. Er wolle eine wohnortnahe medizinische Versorgung sicherstellen, versprach Schulz pauschal. Zu Apotheken lässt er andere sprechen.
Auf Nachfrage, was diese Aussage für die Apotheken in Deutschland und den Streit um das Rx-Versandverbot bedeutet, schweigt Schulz. Die Pressestelle des SPD-Parteivorstandes im Willy-Brandt-Haus bestätigte zunächst nur den Eingang der Anfrage und vertröstete mit dem Hinweis auf die tsunamiartige Anzahl eingegangener Anfragen und Interviewwünsche. Dafür muss man Verständnis haben, zumal Branchenmedien in der medialen Hackordnung der Parteizentralen einen eher untergeordneten Rang einnähmen.
Zuerst kommen TV- und Rundfunkmedien dran, dann die überregionalen Magazine und Tageszeitungen, schließlich die Regionalblätter – und wenn am Ende noch Kapazitäten übrig bleiben, die Fachmedien. Nach drei Wochen nun hat sich die SPD-Pressestelle endlich gerührt: „Wir haben Ihre Anfrage an das Büro von MdB Lauterbach und an die Pressestelle der Fraktion weitergeleitet. Unsere Kollegen dort werden sicherlich direkt auf Sie zukommen.“ Auch der Hinweis, man sei an der Meinung von Kanzlerkandidat Schulz zum Rx-Versandverbot interessiert, da über Lauterbachs wechselnde Positionen und die der Fraktion bereits ausreichend berichtet wurde, brachte keinen Erfolg. Lauterbach soll für Schulz sprechen. So ähnlich lief es jahrelang bei den Grünen: Egal, in welchem Kreisverband man anrief: Bei Gesundheitsthemen war stets Biggi Bender zuständig.
Dabei wäre angesichts der verwirrenden Meinungslage in der SPD schon interessant gewesen zu erfahren, wie ein überzeugter Europäer wie Schulz über das EuGH-Urteil denkt. Schließlich wollte Schulz ursprünglich Präsident der EU-Kommission in Brüssel und nicht Kanzlerkandidat werden. Und die Brüsseler Behörde hat sich im EuGH-Verfahren für die Zulässigkeit von Rx-Boni ausgesprochen.
Genauso gut könnte Schulz als überzeugter Europäer sich auf das Subsidiaritätsprinzip berufen und die Zuständigkeit für die Gesundheitspolitik bei den Nationalstaaten verorten, wie das die ABDA und andere in der Union und auch in der SPD tun. Außerdem gibt es da noch den Konflikt in der SPD selbst. Die mächtige SPD in NRW mischt kräftig mit und steht hinter dem Rx-Versandverbot von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Kürzlich haben sich die SPD-Gesundheitspolitiker Edgar Franke und Sabine Dittmar immerhin zu einem gemeinsamen Kompromissvorschlag aufgerafft: Statt des absoluten Rx-Versandverbotes soll zunächst einmal ein Rx-Boni-Verbot im Sozialgesetzbuch (SGB V) das Schlimmste verhindern. Ob dies wiederum die Meinung der gesamten Bundestagsfraktion spiegelt, ist ebenso unklar wie das politische Gewicht der Idee mit Blick auf die NRW-SPD.
Was gilt da für den früheren Bürgermeister von Würselen, das bekanntermaßen in NRW liegt? Alles Fragen, die Schulz hätte beantworten können. Nun muss sich Lauterbach damit wieder herumplagen. Aber immerhin ist der Fraktionsvize nach eigener Twitter-Aussage seit Langem mit Schulz befreundet. Vielleicht hilft das ja bei der Suche nach Antworten.
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