Neun Jahre ist es her, dass die Grünen im Bundestag zum einem Fachgespräch zum Apothekenmarkt eingeladen hatten. Die damalige gesundheitspolitische Sprecherin Biggi Bender gab Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle eine Bühne, um für die Liberalisierung zu werben. Jetzt wiederholt sich die Geschichte. Vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) standen sich DocMorris und die ABDA im Streit um die Rx-Boni nur indirekt gegenüber. Ende November kommt es im Fraktionssaal im Paul-Löbe-Haus zum direkten Duell um das Rx-Versandverbot.
Am 28. November kreuzen ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und DocMorris-Vorstand Max Müller verbal die Klingen. Das Thema liegt auf der Hand: Es geht um das von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) angekündigte Rx-Versandverbot. Die Positionen und Argumente sind vorhersehbar. Es dürfte trotzdem spannend werden.
Denn Schmidt begibt sich auf eine schwierige Bühne. Eingeladen haben Kordula Schulz-Asche und ihre Bundestagsfraktion zu einem „öffentlichen Fachgespräch“. Schulz-Asche hatte sich zuletzt auf Twitter über die ABDA-Kampagne lustig gemacht, auch sonst ist sie pro Versandhandel und pro Liberalisierung. Neben Schmidt und Müller werden Kai Vogel, Gesundheitsexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, Professor Dr. Reinhard Busse von der TU Berlin und Dr. Klaus Holthoff-Frank von der Monopolkommission an der Diskussion teilnehmen.
Nach einleitenden Statements von Busse und Holthoff-Frank soll munter diskutiert werden. „Wir wollen mit der Veranstaltung zur Versachlichung der Diskussion um das Verbot beitragen und alle Handlungsoptionen diskutieren, die sich im Zuge des EuGH Urteils nun ergeben – genau das, was wir eigentlich von der Bundesregierung erwartet hätten und auch mehrmals schon eingefordert haben“, so die Grünen.
Voraussichtlich wird Schmidt einen schweren Stand haben. Müller gilt als streitbar und rhetorisch versiert. Vogel gehört ebenfalls nicht zu den Anhängern eines Rx-Versandverbotes und die Monopolkommission hat sich schon dezidiert gegen einen solchen Eingriff in den Markt ausgesprochen. Auch der Berliner Gesundheitsökonom Busse ist eher ein Liberalisierer. Die Mehrheit der Teilnehmer dürfte also auf der Seite von DocMorris stehen.
Zuletzt hatte der ABDA-Präsident noch eine Einladung zu einer Diskussion mit Müller beim Politikmagazin Correctiv abgelehnt. Der Einladung der Bundestagsfraktion der Grünen wollte und konnte er wohl nicht ausweichen.
Es kommt nicht eben häufig vor, dass sich ABDA-Vertreter mit DocMorris-Leuten auf offener Bühne auf eine Diskussion einlassen: Einen der wenigen Showdowns gab es im März 2014, als DocMorris mit seinem grünen Apothekenbus die Pharmazeutenwelt in Aufregung versetzte. Im Rahmen der InterPharm diskutierte Müller mit Dr. Peter Froese, dem Vorstandsvorsitzenden des Apothekerverbands Schleswig-Holstein, damals kritisch von der ABDA beäugt.
Kurz zuvor hatte DocMorris nicht nur seinen Bus übers Land geschickt, sondern auch seinen „LiveBerater“ vorgestellt. Beide Projekte sorgten bei der ABDA und in der Fachwelt für Aufmerksamkeit und kritische Diskussionen. Er habe durchaus Respekt vor DocMorris und dem PR-Geschick von Müller, räumte Froese ein: „Ab und zu ist es gut, wenn man einen kleinen Tritt bekommt.“
Damals konnte Froese nicht vorhersehen, dass es DocMorris und die Muttergesellschaft Zur Rose mit Hilfe des EuGH schaffen würden, einen wichtigen Eckpfeiler des deutschen Apothekenbollwerks zumindest ins Wanken zu bringen. Und DocMorris wird in Kürze einen weiteren Nadelstich gegen die deutsche Apothekenlandschaft setzen. In der schwäbischen Gemeinde Hüffenhardt baut die Versandapotheke zurzeit einen Arzneimittelautomaten auf. Darum wird mit Sicherheit ein neuer Rechtsstreit entfachen.
Im Oktober 2007 hatte Oesterle sich bei den Grünen zu einem Vortrag über die schlechte Beratungsqualität der Apotheken verstiegen. Er wünsche sich von der Politik, dass in Zukunft die Anforderungen an die Qualität konsequenter umgesetzt würden. Mit Hinweis auf die Beratungserfordernis erklärte der Konzernchef: „Ich möchte einmal wissen, wie oft Sie beraten werden, wenn Sie eine oder zwei Packungen Thomapyrin kaufen. Meist erhalten Sie die doch ausgehändigt ohne einen Hinweis auf Nebenwirkungen.“
Oesterle fabulierte, dass es Kettenapotheker leichter hätten als ihre selbstständigen Kollegen, Qualität umzusetzen: Ihre Schuldenlast veranlasse einige Apotheker dazu, nach Wegen zu suchen, um ihr Einkommen aufzubessern. Wer sich dagegen auf die seiner Meinung nach abzusehenden Entwicklungen einstelle, werde eine „wunderbare Zukunft“ haben: „Es ist doch egal, ob Sie vom Kapital beherrscht werden oder von Ihrer Ehefrau.“
Auch für die Patienten könne sich die Versorgung durch Ketten durchaus auszahlen. Denn an der inneren Einstellung ließen es die Kettenapotheker nicht missen, so Oesterle im Jakob-Kaiser-Haus. Dagegen überließen viele selbstständige Apotheker nachmittags ihre Apotheke ihren Stellvertretern, um selbst Motorrad zu fahren.
Damals hatte Celesio gerade DocMorris gekauft und für eine politische Lösung getrommelt. Der Konzern hatte mit Niombo Lomba gerade ein ehemaliges Mitglied des Bundesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen in seine Lobby-Abteilung geholt. Mit Bender verband den Konzern schon eine geografische Nähe: Die Politikerin hatte ihren Wahlkreis in Stuttgart Bad-Canstatt.
Nach dem Gespräch wollte Oesterle von diesen Aussagen nichts mehr wissen; der damalige Chefjurist und heutige Vorstand Tilo Köster schaltete sogar den Presserat ein. Die Grünen hatten zwar einen Tonbandmitschnitt von der Veranstaltung, der war aber angeblich verloren gegangen.
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