Gröhe schärft Botendienst Alexander Müller, 13.12.2016 11:43 Uhr
Hermann Gröhe (CDU) hat Wort gehalten: Der Bundesgesundheitsminister hat einen Gesetzesentwurf zum Rx-Versandverbot vorgelegt. Die Begründung liest sich wie eine Hommage an die Apotheker. Die Klarstellung beinhaltet aber auch einen Appell an die Verantwortung der Apotheker, in dem der Botendienst klar geregelt wird.
Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. Oktober entschieden hat, dass das Rx-Bonus-Verbot für ausländische Versandapotheken nicht mit der Warenverkehrsfreiheit innerhalb der EU vereinbar ist, sah sich Gröhe zum Handeln gezwungen. Denn die „Inländerdiskriminierung“ deutscher Apotheken wollte der Minister nicht hinnehmen.
Der Schritt, zu dem sich Gröhe entschieden hat, schüttet aus EU-Sicht gewissermaßen das Kind mit dem Bade aus: Wenn sich EU-Versender nicht an die Rx-Preisbindung halten müssen, dann wird der Rx-Versandhandel eben komplett verboten. Gröhe will nicht nur den in Luxemburg monierten Satz aus dem Arzneimittelgesetz (AMG) streichen, sondern das Apothekengesetz (ApoG) und die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) in diesem Zuge gleich präzisieren.
Einige Anpassungen sind systematisch notwendig, etwa die Regelungen zum Versandhandel im ApoG. Doch das BMG will an dieser Stelle zusätzlich einen neuen Paragraphen 11c einführen: „Eine Zustellung von Arzneimitteln durch Personal der Apotheke ist unter den in der Verordnung nach § 21 geregelten Voraussetzungen zulässig.“ Das erlaubt explizit den Botendienst von niedergelassenen Apotheken.
Dieser ist aber seit jeher eine etwas unklare Angelegenheit. Nicht zuletzt die Abgrenzung zwischen Pick-up und Rezeptsammelstellen beschäftigt bis heute immer wieder die Gerichte. Jetzt wird die ApBetrO an dieser Stelle präzisiert. Demnach „ist eine Zustellung durch Personal der Apotheke in ihrem jeweiligen Einzugsbereich zulässig, wenn in Einzelfällen der Person, die die Arzneimittel benötigt, ein Aufsuchen der beauftragten Apotheke nicht möglich oder nicht zumutbar ist und die Arzneimittel auch nicht durch einen Beauftragten in der Apotheke abgeholt werden können“.
Dass explizit das Personal der Apotheke ausfahren muss und der Botendienst lokal auf den „Einzugsbereich“ der Apotheke begrenzt wird, beugt Umgehungsversuchen im Wege des Versandhandels vor. In der Begründung heißt es hierzu noch: „Aufgrund der unterschiedlichen regionalen Verteilung der Apotheken können zum Einzugsbereich der Apotheken keine starren Vorgaben gemacht werden. In jedem Fall wird jedoch ein Bezug zwischen der abgebenden Apotheke und den Patienten gefordert, der erforderlichenfalls auch kurzfristige Zustellungen ermöglicht.“
Auch der klassische Fall des Botendienstes wird geregelt: Der Kunde kommt mit seinem Rezept in die Apotheke, aber das gewünschte (Rabatt-)Arzneimittel ist nicht vorrätig. Sofern die Beratung dann bereits stattgefunden hat, darf die Apotheke ausfahren. Wenn der Kunde noch nicht beraten wurde, muss zwingend pharmazeutisches Personal den Botendienst übernehmen.
Das Rezept muss dabei nicht zwingend schon vorher in der Apotheke abgegeben worden sein. Im diesem Fall darf pharmazeutisches Personal die verschreibungspflichtigen Arzneimittel ausliefern und das Rezept direkt an der Haustür mitnehmen. Davon unberührt bleibt die Ausnahme in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV), wonach in Akutfällen ein Arzt auch telefonisch eine Verordnung bei der Apotheke beauftragen darf.
Die Apotheke muss sicherstellen, „dass die Arzneimittel dem Empfänger in zuverlässiger Weise ausgeliefert werden; dafür sind die Arzneimittel für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift zu versehen. Die Arzneimittel müssen so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass ihre Qualität und Wirksamkeit erhalten bleiben.“ Das kann bei strenger Auslegung auch die Einhaltung der Kühlpflicht beinhalten.
Im Abschnitt zu Rezeptsammelstellen wird der Bote der Apotheke, der die Verordnungen einsammelt, ersetzt durch „Personal der Apotheke“. Die Weisungsbefugnis wird damit noch einmal unterstrichen. Auch in der ApBetrO wird zudem über einen Absatz klargestellt, dass verschreibungspflichtige Arzneimittel vom Versand ausgeschlossen sind.
Zu Begründung heißt es, dass dem Botendienst im Zusammenhang mit dem Rx-Versandverbot „künftig eine stärkere Bedeutung“ zukomme. Daher werde „eine gesetzliche Grundlage hierfür geschaffen und damit klargestellt, dass die Zustellung von Arzneimitteln durch Personal der versorgenden Apotheke keinen Versandhandel darstellt“. Und: „Einer besonderen Erlaubnis bedarf es für diese Art der Abgabe nicht.“
Ein Botendienst ist künftig grundsätzlich zulässig, wenn der Patient nicht selbst in die Apotheke kommen kann: „Dies insbesondere kann der Fall sein bei krankheits- oder altersbedingten Mobilitätseinschränkungen und gleichzeitig fehlender Unterstützung aus dem sozialen Umfeld.“ Abschließend heißt es: „Mit diesen Regelungen soll sichergestellt werden, dass im Bedarfsfall die Patientinnen und Patienten im Wege der Zustellung durch Apothekenpersonal mit dem benötigten Arzneimittel versorgt werden und insoweit keine rechtlichen Unklarheiten mehr bestehen.“
Das BMG hat gestern den Entwurf eines „Gesetzes zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“ vorgelegt. Dieser wurde zur Frühkoordination an Kanzleramt und Fraktionen verschickt. Gröhe tritt mit seinem Vorhaben aufs Gaspedal: „Es ist ein schnellstmögliches Inkrafttreten des Gesetzes geboten“, heißt es am Ende des Entwurfs.