Rx-Versandverbot

FDP: Apotheken sollen Drugstores werden APOTHEKE ADHOC, 04.12.2016 08:34 Uhr

Berlin - 

„Ordnungspolitik braucht starke Nerven.“ So beginnt ein Gastbeitrag von FDP-Chef Christian Lindner in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Was er meint, sind die Reaktionen der Apotheker auf sein Interview im selben Blatt zwei Wochen zuvor. Da hatte er sich gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen. Mit seinem neuen Beitrag versucht er, die Wogen zu glätten – und alte Ideen als neue liberale Thesen zu präsentieren. Mit dabei: Instore-Apotheken nach US-Vorbild, in denen so ziemlich alles gekauft werden kann. 

Eigentlich seien die Apotheken im Interview ein „Thema am Rande“ gewesen, schreibt Lindner. „Aber aus diesen wenigen Sätzen wurde eine energische Kampagne der Lobby. Mein Bild des respektvollen und sachlichen Apothekers haben einige neue Brieffreunde zu relativieren versucht.“ Schon diese Debatte zeigt laut Lindner, dass die FDP keine Klientelpartei ist.

Laut Lindner gewährleisten die Apotheken traditionell eine flächendeckende Versorgung mit Medikamenten sowie die qualifizierte Beratung. „Wenn wir einmal krank, alt oder gebrechlich sind, wollen wir uns auf diese exzellente Gesundheitsversorgung verlassen können. Es sollte uns deshalb auch künftig etwas wert sein.“

Die Apotheker hätten sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer wieder veränderten politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen stellen müssen. „Das ist nicht immer leicht, zumal Pharmazeuten nicht vorrangig Kaufleute und Marketingexperten sind, sondern in erster Linie Angehörige eines Heilberufs, die uns als Patienten unabhängig und nicht zum eigenen Vorteil über 'Risiken und Nebenwirkungen' aufklären“, so der FDP-Chef.

In Zeiten der Globalisierung, Digitalisierung und des demographischen Wandels habe sich viel verändert. Technische Innovationen und die Bedürfnisse von Kunden und Patienten treiben laut Lindner die Transformation vieler Geschäftsmodelle und Branchen weiter voran. „Mehr als ein Drittel der Deutschen bevorzugt heute den Einkauf von Medikamenten im Internet.“ Die Gründe seien unterschiedlich, die Beratung sei aber auch online oder per Telefon möglich und werde zunehmend in Anspruch genommen.

„Aus heutiger Sicht muss man sagen: Die Zulassung des Versandhandels war ein richtiger Schritt. Wir sollten daran festhalten. Diskussionen über ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln gehen an der gesellschaftlichen Realität und den Wünschen der Menschen vorbei. Und auch wenn eine ältere Rechtsprechung ein Verbot als zulässig angesehen hatte, so sieht die juristische Beurteilung wahrscheinlich anders aus, wenn ein bisher schon erlaubter Versandhandel wieder eingeschränkt werden sollte. Der Wandel ist nicht aufzuhalten – und wir sollten es gar nicht versuchen.“

Was fehle, sei ein fairer Rahmen – gerade dann, wenn der Wettbewerb stürmischer werde. „Während sich große Versandapotheken mit günstigen Preisen am Markt positionieren können, sind die Entwicklungsmöglichkeiten stationärer Apotheken erheblich beschränkt. Die Apotheke vor Ort ist einem regulatorischen Rahmen unterworfen, der viel Geld kostet und größtenteils Versandapotheken nicht abverlangt wird. Das muss sich ändern.“

Mit einem fairen Wettbewerbsrahmen müssten die Apotheken vor Ort zukunftsträchtige Entwicklungsmöglichkeiten erhalten: „Es kann nicht sein, dass im Zuge der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ausländische Versandhändler die Apotheken in Deutschland ausbooten können, weil letztere einerseits vom Preiswettbewerb rechtlich ausgeschlossen sind, andererseits aber auch der Marktmacht ausländischer Versandapotheken nichts entgegensetzen können.“

Das Bundesgesundheitsministerium sollte laut Lindner Wege prüfen, einen aggressiven Preiswettbewerb der ausländischen Anbieter einzuschränken. Der FDP-Chef verweist auf den Rahmenvertrag: Mit dem Beitritt hätten die Versender das Rabattverbot im Arzneimittelgesetz freiwillig akzeptiert.

„Apotheken sollte zudem ermöglicht werden, als Shop im Shop in Einzelhandelsgeschäften Präsenz zu zeigen. Außerdem sollten sie ihr Sortiment um nicht gesundheitsspezifische Produkte erweitern dürfen, wenn gewünscht.“ Diese Vorschläge habe die Monopolkommission schon vor Jahren unterbreitet. „Diese Liberalisierung ist überfällig.“

Möglich sei zudem, dass Apotheker vor Ort für die persönliche Ausgabe von Medikamenten und für spezifische pharmazeutischer Beratung und Dienstleistung eine zusätzliche Prämie durch die Kassen erhielten. „Not- und Nachtdienste müssten besser honoriert und die Sicherstellung des Angebotes in dünn besiedelten Räumen finanziert werden.“

„Wir wissen: Viele wollen an den bestehenden Regeln festhalten oder gar den Wettbewerb wieder beschränken. Ja, wirtschaftliche Interessen der Etablierten muss man ernst nehmen.“ Genauso gebe es aber Menschen, die sich als Patienten und Kunden von einer Öffnung des Marktes und einer Weiterentwicklung digitaler Angebote gute Beratung, komfortablere Logistik und günstige Preise versprächen.

„Wir sollten die Interessen beider Seiten berücksichtigen – und Rahmenbedingungen schaffen, in denen ein differenziertes Angebot möglich ist. Denn eines habe ich aus der Korrespondenz mit vielen Apothekern gelernt: Es gibt auch in ihren Reihen wesentlich mehr Bereitschaft zur Veränderung, als es mancher Interessenvertreter glaubt.“