Rx-Versandverbot

FDP Baden-Württemberg stellt sich gegen Lindner Lothar Klein, 24.04.2017 11:27 Uhr

Berlin - 

FDP-Chef Christian Lindner will die Apotheken nicht „unter Naturschutz stellen“ und lehnt daher ein Verbot des Rx-Versandhandels ab. So steht es auch im von der FDP-Führung vorgeschlagenen Wahlprogramm. Auf dem Bundesparteitag der Freien Demokraten am kommenden Wochenende könnte es aber zu einer kontroversen Debatte über die Arzneimittelversorgung in Deutschland kommen. Denn es liegt ein Gegenantrag des FDP-Landesverbands Baden-Württemberg vor. Der fordert abweichend von der Parteilinie ein befristetes Rx-Versandverbot.

Insgesamt liegen den FDP-Delegierten vier Anträge zur Arzneimittelversorgung vor. Ein Antrag des Bundesfachausschusses Gesundheit stützt den Kurs von Parteichef Lindner. Noch darüber hinaus geht ein Antrag aus Niedersachsen. Dieser lehnt nicht nur ein Rx-Versandverbot ab, sondern fordert die Abschaffung der Festpreise für Rx-Arzneimittel und die Einführung eines „begrenzten Preiswettbewerbs beim Einzelhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“. Ein weiterer Antrag befasst sich mit Lieferengpässen und schlägt eine nationale Arzneimittelreserve vor.

Frontal gegen Lindner und den offiziellen Parteikurs stellt sich die Landes-FDP von Baden-Württemberg mit ihrem Änderungsantrag zum Wahlprogramm: Durch das EuGH-Urteil sei eine Wettbewerbsverzerrung entstanden, schreiben die Liberalen aus dem Stammland der FDP: „Wir Freie Demokraten fordern ein befristetes Untersagen des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln, damit die Sicherheit bei der Arzneimittelversorgung der Patientinnen und Patienten gewährleistet bleibt.“

Sinn der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) sei ein einheitlicher Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel in allen Apotheken. Damit solle verhindert werden, dass hilfebedürftige Patienten Preise vergleichen müssten. Außerdem solle eine flächendeckende Arzneimittelversorgung gewährleistet werden. Apotheken sollten in einen Qualitätswettbewerb treten und ein möglicherweise ruinöser Preiswettbewerb für Apotheken verhindert werden, heißt es in der Begründung und weiter: „Die Arzneimittelpreisverordnung ist ein sinnvolles Instrument, um die Versorgung mit Arzneimitteln flächendeckend sicherzustellen. Die Gewährung von Rabatten im Bereich verschreibungspflichtiger Arzneimittel führt zu Rosinenpickerei und Fehlanreizen.“

Arzneimittel seien Güter besonderer Art, argumentiert die FDP Baden-Württemberg ganz auf der Linie der ABDA. Bei ihrer Anwendung gehe es um das sensible Gut Gesundheit. Zum Schutz des Patienten und um die Arzneimitteltherapiesicherheit zu gewährleisten, bestehe bei der Abgabe von Arzneimitteln in der öffentlichen Apotheke deshalb eine Beratungspflicht. Der Patient, der Medikamente benötige, befinde sich häufig in einer Notlage und könne deshalb keine klassische Konsumentenentscheidung treffen.

„Werden keine politischen/gesetzgeberischen Maßnahmen ergriffen, würden die Apotheken durch das Urteil des EuGH einem Preiswettbewerb mit ausländischen Versandapotheken ausgesetzt. Dieser Preiswettbewerb fände aus hiesiger Sicht unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen statt“, so der Antrag. Es bestehe die Gefahr, dass viele öffentliche Apotheken möglicherweise diesen Wettbewerb nicht bestehen: „Zur Sicherstellung einer hochwertigen und sicheren Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist ein Untersagen des Versandhandels mit diesen Gütern besonderer Art das nicht nur geeignete, sondern erforderliche Mittel, um die erheblichen Wettbewerbsunterschiede zwischen Versandhandel und öffentlicher Apotheke in diesem Bereich ausgleichen zu können.“

Damit stellt sich die FDP Baden-Württembergs frontal gegen FDP-Parteichef Christian Lindner, der bereits im November als Reaktion auf das EuGH-Urteil abgelehnt hatte, Apotheken „unter Naturschutz“ zu stellen. Im von der FDP-Führung vorgeschlagenen Wahlprogramm heißt es dagegen: „Zur Stärkung der inhabergeführten Apotheke vor Ort setzen wir Freie Demokraten uns ferner dafür ein, dass beispielsweise Abrechnungsmöglichkeiten für besondere Leistungen, insbesondere die individuelle Beratung, eingeführt werden. Ein Sicherstellungszuschlag für Apotheken in abgelegenen Standorten würde zudem dazu führen, dass die leistungsfähigen Strukturen flächendeckend erhalten bleiben.“ Zusätzlich müssten Notdienste angemessen honoriert und dringend Bürokratie im Arzneimittelwesen abgebaut werden.

Die FDP beteuert, mit diesen Vorschlägen die flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln rund um die Uhr sowie die qualifizierte Beratung von Patienten zu sichern. Die FDP setze sich „für faire Rahmenbedingungen“ zwischen inländischen Apotheken und ausländischen Versandapotheken ein und wolle die inhabergeführten Apotheken in Deutschland stärken. „Ein pauschales Versandhandelsverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln lehnen wir ab, denn jede Patientin und jeder Patient sollte die Wahlfreiheit haben, von wem er sein rezeptpflichtiges Arzneimittel bezieht“, so das Wahlprogramm.

Die FDP halte ein „differenziertes Angebot für zwingend erforderlich“, welches einerseits Patienten die Nutzung digitaler Angebote ermöglichte, andererseits die durch die inländischen Apotheken bisher sehr gut gewährleistete Versorgungsqualität sicherstellt. Dafür müsse das Versorgungssystem in Deutschland im Dialog mit Patienten und Apothekern weiterentwickelt werden.

In einem weiteren Antrag zur Arzneimittelversorgung schlägt der FDP-Bundesfachausschuss Gesundheit den „Aufbau einer strategischen Arzneimittelrohstoffreserve“ nach dem Vorbild der staatlichen Ölreserve vor: „Wir setzen uns für die Sicherstellung der Versorgung der Bürger mit wichtigen Arzneimitteln ein“, heißt es dort. Eine politische Verantwortung bestehe in der „Sicherung der Rohstoffe für die Arzneimittelherstellung, um Lieferengpässe, wie es sie in der Vergangenheit gab, zu vermeiden. Möglichkeiten bestehen in der Förderung der Herstellung von Arzneimittel in Deutschland durch eine verpflichtende Bevorratung mit Arzneimittelrohstoffen, ähnlich der strategischen Ölreserve.“