Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) will ein Verbot des Versandhandels mit repeztpflichtigen Medikamenten über das Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) durchdrücken. Dazu liegt ein entsprechender Änderungsantrag für die Beratung im Gesundheitsausschuss des Bundesrates vor. Das Urteil des EuGH führe „zu einer konkreten Gefährdungslage für die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken“, begründet Huml den Vorstoß.
Bayerns Gesundheitsministerin sieht Eile geboten: „Da eine Zerschlagung dieser bewährten Versorgungsstruktur unumkehrbar sein dürfte und andere denkbare Versorgungsstrukturen weder vorhanden noch erwiesenermaßen besser sind, sind sofortige Gegenmaßnahmen erforderlich.“
Ziel müsse es sein, die Preisbindung für die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an den Endverbraucher in Deutschland ausnahmslos verbindlich zu machen. „Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erscheint hierfür nicht nur geeignet, sondern auch erforderlich“, so der Antrag.
Eine andere, ebenso rechtsklare Regelung, mit der dieses Ziel erreicht werden könne und die auch den unions- und verfassungsrechtlichen Anforderungen genüge, sei nicht ersichtlich. Auch nach dem Recht der EU erscheine ein solches nationalstaatliches Verbot möglich, glaubt Huml. Bislang sei auf EU-Ebene auch nicht beanstandet worden, dass die überwiegende Mehrheit der Mitgliedstaaten den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten habe und nur sieben Mitgliedstaaten ihn erlaubt hätten: Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Niederlande, Schweden und Großbritannien.
In dieser Woche fällt die Vorentscheidung über ein Rx-Versandverbot. Am Dienstag treffen sich die Gesundheitspolitiker der Koalitionsfraktionen. Erwartet wird, dass sich die SPD auf eine Position zum Rx-Versandverbot festlegt. Bislang stehen die Zeichen auf Ablehnung.Am Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über das AM-VSG.
Nach Ansicht von Bayern Gesundheitsministerin wäre ein Rx-Versandverbot das kleinere Übel: Es schränke zwar die Berufsausübungsfreiheit ein und greife auch in Rechtspositionen von Vor-Ort-Apotheken mit Versanderlaubnis ein. Huml: „Dieser Eingriff ist gerechtfertigt, um die Gesundheit der Bevölkerung durch eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherzustellen.“ Ein Verbot berühre weder die Apothekenbetriebserlaubnis noch die Versandhandelserlaubnis der betroffenen Apotheken. Die Versandhandelserlaubnis wird aber dann nur noch den OTC-Versandhandel umfassen.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verbots des Rx-Versandhandels halten sich nach Ansicht von Huml „in überschaubaren Grenzen“. Nach ABDA-Angaben besitzen von insgesamt rund 20.250 öffentlichen Apotheken in Deutschland rund 2900 eine Versandhandelserlaubnis. Allerdings betreiben davon nur rund 150 einen aktiven Versandhandel; insgesamt vereinen knapp 30 große Versandapotheken 90 Prozent des Umsatzes. Während der Umsatz mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln seit Einführung des Versandhandels in Deutschland stetig ansteige, sei der Umsatz mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln rückläufig. 2015 seien nur vier Millionen Rx-Packungen im Versand abgegeben worden.
Huml: „Diesen überschaubaren wirtschaftlichen Auswirkungen auf eine verhältnismäßig geringe Anzahl öffentlicher Apotheken, die einen nennenswerten Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln betreiben, steht das verfassungsrechtlich geschützte hohe Gut der Gesundheit der Bevölkerung gegenüber, die eine sichere und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung zu allen Zeiten und auch in Notfällen erfordert.“
Dazu diene die Sicherung und Aufrechterhaltung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken, die vor Ort den Arzneimittelversorgungsauftrag erfüllten einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen wie persönliche Beratung, Nacht- und Notdienste, kurzfristige und Notfallversorgung, Arzneimittelherstellung auch in Notfällen und Epidemien.
Die einheitlichen Preise für Rx-Arzneimittel stellten sicher, dass Patienten keine Preisvergleiche anstellen oder zu überhöhten Preisen Arzneimittel beziehen müssten, sondern ihre Versorgung mit diesen Arzneimitteln in allen deutschen Apotheken zum selben Abgabepreis erhielten. Die einheitlichen Preise sorgten auch für einheitliche Wettbewerbsbedingungen unter den Apotheken und verhinderten einen vor allem für kleinere Apotheken ruinösen Preiskampf. „Dies dient dem Erhalt der flächendeckenden Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch öffentliche Apotheken“, begründete Huml ihren Verbotsantrag.
Der Erhalt eines flächendeckenden Netzes an öffentlichen Apotheken sei erforderlich für die „sichere, schnelle und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu allen Zeiten“. Der Versandhandel könne öffentliche Apotheken nicht ersetzen. Huml: „Viele der Dienstleistungspflichten aus dem gesetzlichen Versorgungsauftrag an die öffentlichen Apotheken kann der Versandhandel nicht erfüllen: Persönliche Beratung, Nacht- und Notdienste, kurzfristige und Notfallversorgung, Arzneimittelherstellung (Rezepturen, Defekturen) auch in Notfällen und Epidemien können nur von einer öffentlichen Apotheke vor Ort erbracht werden.“
Das EuGH-Urteil führe dazu, dass sich Versandapotheken in anderen Mitgliedstaaten gegenüber inländischen Apotheken Wettbewerbsvorteile verschaffen können, indem sie vor allem die Versorgung von Chronikern und die Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln beispielsweise durch Gewährung von Boni an die Besteller an sich zögen, ohne die personal- und zeitaufwändigen Dienstleistungen einer öffentlichen Apotheke in Deutschland erbringen zu müssen.
Es sei daher zu befürchten, dass die zum Überleben notwendige wirtschaftliche Grundlage insbesondere von kleineren Apotheken am Stadtrand und in wenig frequentierten ländlichen Gegenden entzogen werde – also gerade dort, wo jede einzelne Apotheke zur Flächendeckung der Versorgung benötigt werde. „Dies würde dazu führen, dass eine Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken nicht mehr flächendeckend wäre mit den entsprechenden negativen Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten gerade in akuten Fällen und Notfällen“, so der Antrag.
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