Arzt-Apotheker schreibt an Gröhe APOTHEKE ADHOC, 25.03.2017 09:31 Uhr
Apotheker und Arzt Dr. Stefan Spaniel ist enttäuscht, dass die Regierung sich nicht zu einem Rx-Versandverbot durchringen kann. Der Inhaber der Löwen-Apotheker in Feuchtwangen hat schon mehrere Dutzend Briefe an Politiker verschickt, um auf die Folgen des EuGH-Urteils zu Rx-Boni für Apotheken aufmerksam zu machen. Jetzt legt er nach.
Der Apotheker hat weitere Briefe an rund 40 Kontakte geschickt, darunter Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), aber auch an die Spitze der anderen Parteien sowie Landtagsabgeordnete und Lokalpolitiker. Spaniel hat zugestimmt, den Wortlaut seines Briefes zu veröffentlichen. Er betont, dass es dabei um seine persönliche Meinungsäußerung handelt und er sich nicht in seiner Funktion als Beirat der Kooperation „Gesund Leben“ äußert. Diese hatte den Mitgliedern ebenfalls ein abgestimmtes Schreiben zur Verfügung gestellt.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Gröhe,
ich erlaube mir Sie erneut wegen dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016, welches den ausländischen Versandapotheken einen Rabatt auf Rx-Arzneimittel erlaubt hat, anzuschreiben. Leider hat auf mein erstes Schreiben fast niemand reagiert und wenn, dann in den seltensten Fällen persönlich.
Ich möchte jedoch mit Nachdruck noch einmal auf die Eckdaten hinweisen und die Frage stellen, ob der europäische Gedanke wirklich in den Kleinstrukturen länderspezifischer Gesundheitssysteme zwingend zur Anwendung kommen muss und wenn, ob dies auch sinnvoll ist?
Wichtige Eckpunkte und Folgen des Urteils; eigentlich Themen der SPD und der Grünen?
-
Es gibt 160.000 Arbeitsplätze in den Apotheken in Deutschland, diese werden weniger werden!
-
Es gibt 7500 Ausbildungsplätze in den deutschen Apotheken, diese werden weniger werden!
-
Es gibt gerade noch 20.000 Apotheken in Deutschland, die den Nacht- und Notdienst an Wochenenden, Feiertagen, Weihnachten, Silvester, Ostern, Pfingsten und an jedem anderen Tag leisten, diese werden weniger werden. 365*24 Stunden im Jahr. Wir haben immer Dienst!
-
Die Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland werden sinken, die Mehrwertsteuer wird bei ausländischen Versandapotheken auch im Ausland abgeführt und auch Gewinne im Ausland versteuert, teilweise sogar im nicht europäischen Ausland!
-
Die Gewerbesteuer der Gemeinden wird weniger werden!
-
Apotheken wie Großhandel sind gezwungen, die Kühlung unter 25 Grad ständig zu garantieren und auch nachzuweisen. Dies gilt allerdings nicht für die Lieferung per Post und Paketdienst bei ausländischen Versandapotheken??? Wie kann das sein?
-
Wo ist die Benachteiligung der ausländischen Versandapotheken am deutschen Markt und wo ist die Notwendigkeit ihnen Vorteile (Rx Boni) zu geben? Brauchen diese Firmen wirklich Hilfe, wenn sie am 1. Januar und auch an anderen Feiertagen, Sonntagen und unter der Woche pausenlos Fernsehwerbung schalten können? Die allermeisten deutschen Apotheker, auch wenn sie mehrere Filialen haben, können sich dies kaum leisten!
-
Diese Entscheidung führt zu mehr Päckchen, mehr Dieselverbrauch und mehr Autos auf den Straßen! Warum kümmert das die Grünen nicht?
Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ab Freitagmittag der Versandhandel für die Belieferung von Patienten auf dem Lande kaum eine Rolle spielt. Da ist dann die Apotheke vor Ort gefragt (oder gut genug)! Sie darf dann irgendwie noch ein Betäubungsmittelrezept vom Hausarzt besorgen, damit der Patient keine Schmerzen ertragen muss über das Wochenende. Oder wie es mir gestern Abend im Notdienst passiert ist: einem Patienten um acht Uhr abends ein Blutzuckermessgerät, sowie Insulin und Blutzuckertabletten im Notdienst auszuhändigen, mit nur teilweise ausgefüllten Rezepten und dem Hinweis vom Arzt, dass er die Formalitäten morgen erledigen werde.
Diesen beiden Patienten zum Beispiel hätte keine ausländische Apotheke zu dieser Zeit und auch an diesem Wochenende in irgendeiner Form helfen können.
Wenn es um verschreibungspflichtige Arzneimittel geht, sollte meiner Meinung nach das freudige Päckchen hin- und herschicken verboten sein. Auch ein Rabatt ist kaum sinnvoll, es handelt sich ja nicht um Pizza, wo man die 11te umsonst bekommt.
Bis jetzt musste alles wegen der Arzneimittelsicherheit reglementiert und gesteuert werden, demnächst dürfen Internetriesen damit machen was sie wollen. Denken sie darüber nach, ob diese Dinge alle richtig sind. Deutschland wird unterm Strich durch Freigabe der Rx-Boni nicht sparen und auch nicht die Arzneimittelsicherheit erhöhen.
Im bestehenden Apothekensystem brauchen wir die Internetapotheken nicht für die Versorgung mit Rx-Arzneimitteln. Nicht jetzt und auch nicht in Zukunft.
Am Ende noch eine ganz andere Frage, warum müssen wir den ausländischen Versandapotheken in unserem Gesundheitssystem erlauben Geld zu verdienen. Wir dürfen zum Beispiel keine Rx-Arzneimittel nach Österreich schicken, auch nicht nach Holland oder sonst wohin!
Wegen 15.000 Mitarbeitern einer Supermarktkette war Minister Gabriel jeden zweiten Tag im Fernsehen auf dem Plan. Wegen 160.000 Apothekenmitarbeitern scheint keiner unruhig zu werden?
Wir sollten teuer erschaffene Strukturen nicht wegen externen wirtschaftlichen Interessen opfern!
Schon der Versand von OTC-Arzneimitteln aus dem Ausland stellt einen Aderlass dar und schmälert den Verdienst in Deutschland!
Lassen sie den Umsatz in Deutschland, sichern Sie Arbeits- und Ausbildungsplätze und nehmen Sie die Steuern, die Sie mehr einnehmen für die Entlastung der Versicherten, z.B. bei der Zuzahlung!
Setzen Sie sich für ein Rx-Versandverbot ein und sichern Sie das Deutsche Apothekensystem für unsere Versicherten!
Auch im Namen meiner Mitarbeiter und Auszubildenden bedanke ich mich für ihr Engagement!
Dr. med. Stefan Spaniel
Zitatende. Auf seinen ersten Brief hatte Spaniel nur vereinzelt Feedback erhalten. Immerhin hatte sich das Büro des damaligen Bundeswirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) erhalten. Allerdings hatte dieser dem Rx-Versandverbot schon mehr oder weniger klar eine Absage erteilt: „Wir sind der Meinung, dass sowohl Präsenz- als auch Versandapotheken zu dieser Versorgung beitragen. Heute nutzten Patienten „beide Arten von Apotheken und wollen dies auch in Zukunft tun“, so das Schreiben im Auftrag des SPD-Parteivorstandes.