Litsch: Versand gefährdet Apotheken nicht Lothar Klein, 02.01.2017 10:21 Uhr
Im Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln sieht der AOK-Bundesverband für die Präsenzapotheken keine Gefahr. Versandapotheken könnten bei Rx-Arzneimitteln „nur eine Ergänzung zur flächendeckenden Versorgung“ darstellen, schrieb AOK-Chef Martin Litsch an Apotheker Gunnar Müller. Müller hatte sich zuvor bei Litsch über die Ankündigung beschwert, Selektivverträge mit ausländischen Versandapotheken abschließen zu wollen.
„Die Apotheken vor Ort brauchen den Wettbewerb mit den Versandapotheken aus Sicht des AOK Bundesverbandes nicht scheuen“, antwortete Litsch. Im Gegenteil könnten sie „mit den Vorzügen der persönlichen Beratung vor Ort für sich und ihre Gesundheitsdienstleistung werben“. Versandapotheken könnten nicht „das Netz der öffentlichen Apotheken gefährden oder gar ersetzen“, so Litsch.
Auch in den anderen Ländern mit Rx-Versandhandel – Dänemark, Estland, Finnland, Niederlande, Schweden und Großbritannien – sei kein Apothekensterben zu verzeichnen. Der Anteil des Rx-Versandhandels sei „sehr gering“ und eine „deutliche Abwanderung von Patienten zum Versandhandel ist nicht zu befürchten“, so Litsch an Müller.
Als Reaktion auf die Ankündigung von Litsch hatte Müller an den Chef des AOK-Bundesverbandes geschrieben: Er habe bislang „den AOK-Bundesverband und seine AOKen als Sachwalter des patientenorientierten deutschen Gesundheitssystems verstanden“. Die Äußerungen von Litsch gegen ein Versandhandelsverbot, für Selektivverträge und ein Höchstpreismodell ließen ihn „daran leider ernsthaft zweifeln und enttäuschen mich“.
„Beratung und sämtliche Gemeinwohlleistungen der Apotheken vor Ort mitnehmen – aber mit Selektivverträgen maximalen shareholder-value erzielen wollen: Das höhlt das bestehende System aus, untergräbt alle Prinzipien der Fairness unter Vertragspartnern und torpediert die deutschen Apotheken vor Ort. Derartiges Denken ist für mich Trittbrettfahrerei und neoliberales Rosinenpicken“, so Müller an Litsch.
„Ich erwarte von Ihnen ein eindeutiges Bekenntnis zum deutschen Gesundheitssystem mit seinen inhabergeführten wohnortnahen Apotheken – ohne wenn und aber“, so Müller weiter. Mit der Antwort des AOK-Bundesverbandes ist Müller naturgemäß nicht zufrieden: „Das sind nette Worte“, so Müller, „aber kein klares Bekenntnis. Ich bin enttäuscht.“
Kurz vor Weihnachten hatte sich Litsch gegen ein Rx-Versandverbot ausgesprochen und Selektivverträge mit ausländischen Versandapotheken gefordert: „Wichtiger als ein Schutzzaun um Apotheken sind neue Vertragsmodelle, die überall eine sichere Versorgung mit Arzneimitteln garantierten und Preisvorteile für die Solidargemeinschaft ermöglichten.“ Die Krankenkassen könnten Verträge mit den Versandapotheken schließen, ähnlich wie das mit den Krankenhausapotheken schon jetzt möglich sei, lautete der AOK-Vorschlag.
„Arzneimittel sind grundsätzlich kein Konsumgut“, argumentierte Litsch. Boni und Rabatte sollten daher gemäß dem solidarischen Sachleistungsprinzip nicht an Einzelne gegeben werden. Bisher hätten die Krankenkassen aber weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage, den Anspruch auf Boni geltend zu machen und gegebenenfalls auch auf dem Klagewege durchzusetzen.
„Arzneimittel werden von der Solidargemeinschaft gezahlt, Rabatte gehören deshalb auch in den Solidartopf“, so Litsch. Fehlanreize durch Mehrabsatz und Verbrauch seien in einem Sachleistungssystem, das auf Solidarität aufbaue, nicht hinnehmbar.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte Litsch vorgeworfen, mit den Rx-Versandverbot der Lobbypolitik der ABDA zu folgen. Er „nutzt die Gunst der Stunde“ und wolle als Reaktion auf das EuGH-Urteil den Rx-Versandhandel verbieten. Laut EuGH seien von ausländischen Versendern gewährte Preisnachlässe aber rechtens. „Die deutschen Apothekerverbände hatten daraufhin postwendend eine Kampagne gegen den Versandhandel gestartet“, so der AOK-Bundesverband: „Gröhe folgt damit der Argumentationslinie der Bundesvereinigung der Apothekerverbände (ABDA).“