Rx-Versand: EuGH beschert Versendern neuen Rekord Lothar Klein, 10.04.2018 12:37 Uhr
Am 19. Oktober 2016 gestattete der EuGH ausländischen Versandapotheken die Gewährung von Rx-Boni. Sofort starteten DocMorris und Europa Apotheek Bonusprogramme und fuhren ihre Marketing-Etats hoch. Daraufhin wuchs der Rx-Versandhandel im Jahr 2017 so stark wie nie in den letzten Jahren auf einen neuen Rekordwert. Seit der Einführung des Versandhandels versechsfachten sich die Ausgaben der Krankenkassen für diesen Absatzkanal.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) weist in seiner GKV-Ausgabenstatistik die Ausgaben der Kassen für Versandhandel mit Arznei- und Verbandmittel aus. Danach wurden von den Kassen im Jahr 2017 insgesamt verschreibungspflichtige Arzneimittel und Verbandmittel im Wert von 410,5 Millionen Euro erstattet – so viel wie nie zuvor. In den Zahlen enthalten sind sowohl in- als auch ausländische Versandapotheken. Im Jahr zuvor gaben die Kassen für elektronische Bestellungen „nur“ 366,5 Millionen Euro aus. Der Zuwachs beträgt damit 12 Prozent.
Damit legte der Rx-Versandhandel deutlich kräftiger zu als in den Jahren zuvor: Von 2015 auf 2016 hatte es sogar einen Rückgang im Rx-Versandhandel von 384 Millionen Euro auf 366,5 Millionen Euro (minus 4,5 Prozent) gegeben. 2014 hatten die Kassen mit 406 Millionen Euro allerdings fast genau so viel an die Versandapotheken überwiesen wie im letzten Jahr. Im Jahr 2013 weist die GKV-Statistik des BMG den Betrag von 388 Millionen Euro aus, 2012 waren es 379 Millionen Euro.
Damit haben sich die Ausgaben der Kassen für den Bezug von Arznei- und Verbandmittel seit der Einführung des Versandhandels im Jahr 2004 knapp versechsfacht. Im ersten Jahr des Versandhandels gaben die Kassen 70 Millionen Euro aus. Im zweiten Jahr schnellte der Betrag auf bereits auf 126 Millionen Euro in die Höhe. Zwei Jahre später verdoppelte sich die Summe bereits auf 247 Millionen Euro. Im Jahr 2009 zahlten die Kassen an die Versandhändler bereits 351 Millionen Euro. Ab 2010 schwanken die Ausgaben zwischen 390 Millionen und den aktuellen Rekordwert.
Interessant ist zudem, dass der Versandhandel zulasten der Kassen im zweiten Halbjahr deutlich Dynamik gewonnen hat. Im ersten Halbjahr gaben die Kassen für Arznei- und Verbandmittel 199,4 Millionen Euro aus. Im zweiten Halbjahr waren es danach 211 Millionen Euro.
Platzhirsch beim Rx-Versand ist DocMorris. Nach eigenen Angaben hat die niederländische Versandapotheke von Januar bis September Rx-Arzneimittel im Wert von 177 Millionen Euro verkauft. Das entspricht einem Plus von 9,6 Prozent. Im Gesamtjahr wuchs der DocMorris Rx-Bereich um 10,2 Prozent, im vierten Quartal sogar um knapp 12 Prozent. Die Muttergesellschaft Zur Rose macht dafür die Marketingkampagne des Konzerns verantwortlich. Hochgerechnet kommt DocMorris im Gesamtjahr auf einen Rx-Umsatz von über 235 Millionen Euro – also mehr als die Hälfte des GKV-Gesamtmarktes.
Damit liegt der Rx-Zuwachs bei DocMorris allerdings unter dem vom BMG gemessenen Gesamtanstieg von 12 Prozent für 2017. Andere Anbieter wie die wieder zur Shop-Apotheke gehörende Europa Apotheek waren demnach erfolgreicher. Erheblich stärker zugelegt hat DocMorris dagegen beim OTC-Versand. Dort steigerte die Zur Rose-Tochter ihre Verkäufe um satte 38 Prozent. Nach eigenen Angaben hat sich die Zahl aktiver DocMorris-Kunden im letzten Jahr um 32 Prozent auf 1,8 Millionen erhöht.
Interessant ist in diesem Zusammenhang aber die Klage der inländischen Versender über die Abwanderung ihres Geschäfts ins Ausland. Ein Anbieter beklagt hinter vorgehaltener Hand einen Einbruch des Rezeptgeschäfts um 50 Prozent. Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) räumte bereits im letzten Herbst ein: „Unsere Mitglieder stellen schon fest, dass sie in der Tat weniger verschreibungspflichtige Rezepte zugeschickt bekommen. Das Geschäft hat sich deutlich weg von deutschen Versandapotheken hin in die Niederlande verlagert.“ Dabei ist die Situation nach eigenen Angaben der Versender nicht überall gleich schlimm: Während Karlheinz Ilius von Medikamente-per-Klick mit einem Umsatzrückgang von etwa 10 Prozent rechnete, ging man bei Sanicare von stabilen Zahlen aus.
Apotal wollte aufgrund steigender OTC-Umsätze insgesamt sogar zulegen. Allerdings stagniert der Rx-Umsatz hier ebenfalls seit Jahren, weshalb er prozentual immer weniger zum Gesamtergebnis beiträgt. Aktuell liegt der Umsatzanteil bei 14 Prozent. Dieser für einen deutschen Versender sehr hohe Wert begründet sich im Spezialgeschäft der Diabetikerversorgung. Da diese eng betreuten Kunden sehr loyal seien, wechselten nur wenige wegen ein paar Euro Bonus den Versender, heißt es bei Apotal. Aktuelle Zahlen zum Geschäftsjahr 2017 liegen noch nicht vor.
Gemessen am Arzneimittelgesamtmarkt zulasten der Kassen ist der Rx-Versandanteil aber immer noch gering: Mit 410 Millionen Euro liegt der Anteil des Versandhandels am Arzneimittel-Gesamtmarkt immer noch bei etwa 1,1 Prozent.